Blumen fuer Zoë
eingeschlafen war. Ich wusste, ich würde die natürlichen Triebe, die mich überkamen und die jeden Mann beim Anblick einer schönen Frau überwältigen, nicht mehr lange im Zaum halten können. Sie war noch ein Kind, ein armes, kleines Wesen, das noch nichts von all den Seelenqualen und Ãngsten wusste, die das Glück hervorrufen kann, so traurig und paradox das auch sein mag. Ich träumte aber weiter von einer glücklichen Zukunft, in der ihre gewölbte Stirn meine Tage ausfüllen würde; ihre Schönheit verhieà mir ein ruhiges Abenteuer, und ich wurde von einem Beschützerinstinkt für das einzige Tier erfasst, das der Mann nicht zu zähmen vermocht hatte.
III
Wir befanden uns in der Südhälfte von Texas, zumindest ist das das Bild, das ich von diesem Landesteil in Erinnerung behalten habe. Vor fast vierzig Jahren hatte ich den Süden dieses Bundesstaates schon einmal durchquert, im Rahmen eines
road trip
unter Freunden, der, wie die meisten Spritztouren in diesem Alter, in Las Vegas endete. Damals hatte ich der Landschaft keine besondere Beachtung geschenkt, aber diese Reise mit Zoë lieà mich alles mit neuen Augen sehen. Ich entdeckte eine wunderbare Gegend voller indianischer Stelen, Kakteen und Männer mit einem selbstbewussten, komischen Gang. Zoë trug eines ihrer luftigen Kleider, und man schaute uns an, als wären wir Botschafter des Lasters. Hier war es übrigens auch, wo unsere Beziehung ins Profane abglitt. Als wir nachts zwischen weiÃen und blauen Gräbern auf einem mexikanischen Friedhof umherspazierten und ich ihr gerade âºPolks Kriegâ¹ erläuterte, warf Zoë sich kurzerhand auf mich und küsste mich wild auf den Mund. Ich fragte, was denn in sie gefahren sei (ich musste wenigstens so tun, als wäre ich schockiert), und sie erwiderte, sie finde meine Gelehrtheit sexy. Ihre Behauptung verwirrte mich, denn manchmal wohnte ich Szenen tiefer Spiritualität bei, in denen Zoë niederkniete und die Perlen eines Rosenkranzes durch die Finger gleiten lieà â ihr christlicher Glaube passte sich also allen Umständen an. Als ich sie fragte, wie sie so dualistisch sein könne, antwortete sie, der Herr vergebe ihr immer alles. »Was für eine tolle Einrichtung«, entgegnete ich, während sie anfing, mir auf einem Grab die Kleider vom Leib zu reiÃen. Ich ahnte noch nicht im Entferntesten, dass ihr sexuelles Verlangen ihrem Appetit entsprach. Im Bett wie bei Tisch leidet sie unter einem âºKojotenhungerâ¹, wie sie ihn nennt; sie kann Tonnen von Fleisch verschlingen, ohne dass ihre Schenkel die göttlichen Proportionen verlieren würden. Heute Mittag, als wir gerade in einem Vorort ein
Filet mignon
in einem Steakhaus verspeisten, hatte Zoë sich plötzlich tränenüberströmt an mich geschmiegt.
»Mir ist gerade klargeworden, dass du vor mir noch andere Frauen gekannt hast!«
»Beim Steakessen? Ich bin neunundfünfzig, Zoë, natürlich gab es ein Leben vor dir ...«
»Du verstehst das nicht! Der Gedanke ist einfach unerträglich!«
Sie weinte. Ich lieà mein Notizbuch aus Krokoimitat, in dem ich diese Zeilen festhalte, fallen und küsste ihre Stirn. Sie wollte wissen, was ich in dieses schreckliche Heft schrieb.
»Meine Memoiren«, entgegnete ich.
»Musst du echt alles aufschreiben, um dich daran zu erinnern, was du erlebt hast?«
»Ich bin nicht mehr der Jüngste.«
Dank meiner Küsse und Streicheleinheiten wurde sie wieder ruhiger, wie eine Katze, die aufhört zu maunzen, sobald man ihr den Rücken krault. Dann schluckte sie ihre Tränen hinunter und bat mich, ihr die Geschichte meiner Scheidung zu erzählen. Ich hatte ihr bereits in groben Zügen von meiner Vergangenheit berichtet, aber ich weiÃ, dass diese dreiunddreiÃig Jahre mit einer anderen sie sehr beschäftigen. Sie kann es sich nicht verkneifen, Evelyn meine âºExfrauâ¹ zu nennen, wobei sie die Tatsache auÃer Acht lässt, dass wir niemals verheiratet waren.
Das erste Mal gesehen habe ich Evelyn während der Pause von
Carmen
, vor der Metropolitan Opera. Anders als die anderen jungen Frauen, die ich mir sonst so anschaute, war Evelyn kein Ausbund an Schönheit, aber mit einem recht passablen ÃuÃeren ausgestattet. Die Haltung der Töchter aus gutem Hause lässt oft zu wünschen übrig â die wahren Rebellinnen, das sind sie
Weitere Kostenlose Bücher