Blut und Rüben
Taschenlampe zu.
Ich leuchtete meine Umgebung ab. Der Raum war höchsten zwei mal zwei Meter groß. Eine Aussparung führte in den nächsten Raum.
Darin lag eine Matratze. Daneben lag Luna.
Die Beine gefesselt, das Maul mit Klebeband umwickelt.
Ich stürzte zu ihr.
Sie regte sich nicht mehr.
Zunächst dachte ich, sie sei erstickt, doch dann spürte ich das schwache Schlagen ihres Herzens.
Ich löste das Klebeband von ihrer Schnauze. Es war bestimmt eine schmerzhafte Prozedur, doch selbst da regte sie sich kaum. Einmal zuckte sie zusammen und gab einen hohen Laut von sich.
Ich hatte noch nicht einmal ein Messer dabei, um ihre Fesseln zu lösen. Sie hatten sich tief ins Fleisch geschnitten. Ich hob Luna hoch und trug sie auf den Armen wie ein Kind.
Am schwierigsten war es, sie die Leiter hinaufzuhieven. Förster half mir, indem er sie den letzten Meter von oben hinaufzog.
Gemeinsam brachten wir sie nach draußen. Förster schnitt die Fesseln durch.
»So ein Schwein sollte man nie wieder auf freien Fuß lassen«, flüsterte er betroffen.
»Versündigen Sie sich nicht an den Schweinen«, sagte ich nur. Für Menschen gab es Krankenwagen, für Hunde nicht. Selbst nicht, wenn sie das mitgemacht hatten, was Luna widerfahren war.
Gemeinsam mit Ollie raste ich nach Bielefeld in die Tierklinik.
Unterwegs rief mich Norbert an. »Das wird immer wirrer«, schimpfte er. »Dein Vetter Armin droht damit, ganz Lippe einen Denkzettel zu verpassen. Könnte es sein, dass er die Bombe irgendwo an den Externsteinen platziert hat? Du kennst ihn besser als ich.«
»Immerhin ist es Naturschutzgebiet, insofern sicherlich bedeutend«, überlegte ich. »Außerdem haben die Nazis seinerzeit die Externsteine für ihre Zwecke umfunktioniert. So gesehen würde es zu Armins verquaster linker Ideologie passen, wenn er sie in die Luft sprengen würde ...« Außerdem hatte dort alles angefangen, indem der Major dort zu Tode gekommen war ... Dennoch schüttelte ich den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass er dort eine Lunte gelegt hat. Er hat die Bombe dort platziert, wo er auch Steffi gefangen hält ...«
»Immerhin gibt es einige Höhlen dort.«
»Die sind schnell durchsucht. Trotzdem, schick zur Sicherheit ein paar Leute hin.«
Norbert seufzte. »Ich habe kaum mehr welche. Wir durchsuchen zurzeit weiter die Bauernhöfe und Privathäuser der Verdächtigen, verhören sie gleichzeitig und sind noch damit beschäftigt, drei Millionen Euro zu besorgen. Und das alles in einer einzigen Nacht.«
»Du tust mir leid«, sagte ich. Ich erzählte ihm, dass wir Luna gefunden hatten.
Er freute sich und beglückwünschte mich. Trotzdem hörte ich an seiner Stimme, dass er andere Sorgen hatte. Ein Hund war nun einmal nur ein Hund.
»Die Spurensicherung vor Ort kümmert sich jetzt verstärkt um diesen Stall«, teilte ich ihm mit. »Da unten lag auch eine Matratze. Gut möglich, dass Steffi dort eine Weile versteckt gehalten wurde.«
Als wir von der Tierklinik zurückfuhren, war ich todmüde. Todmüde, aber zuversichtlich.
Man hatte mir signalisiert, dass Luna gute Chancen hatte, durchzukommen. Ich hatte sie gerade noch rechtzeitig befreit. Ein paar Stunden später, und sie wäre erstickt.
Als ich sie verließ, hatte sie die dunklen Augen geöffnet. Ich glaubte, dass sie mich erkannt hatte.
»Wohin jetzt?«, fragte Ollie mit müder Stimme. Seine Zuversicht war geschwunden.
Es war sechs Uhr morgens. Die Sonne ging gerade auf. Wir fuhren die B 239 Richtung Detmold. Parallel zur Straße schlängelten sich in einigen Kilometern Entfernung die bewaldeten, sanft gerundeten Höhen des Teutoburger Waldes. Ganz oben auf dem Teutberg grüßte das Hermannsdenkmal. Im Sonnenaufgang wirkte es majestätischer denn je.
Unter normalen Umständen hätte ich den Anblick sogar genossen. Es war ein grandioses Panorama, das sich uns bot. An dieser Stelle gehörte die B 239 zu den schönsten Straßen Europas.
Plötzlich sah ich etwas aufblitzen. Genau da, wo sich der Kopf der Hermannsfigur befand. Es sah aus, als würde er mir zublinzeln.
»Halt mal bitte an!«
Ollie trat auf die Bremse und lenkte den Morgan an den Straßenrand. Ein Milchlaster schoss laut hupend an uns vorbei.
Ich wies zum Denkmal. »Siehst du das dort oben?«
»Eine Sonnenspiegelung.«
»Eine Spiegelung, ja. Und von der Sonne auch. Aber wieso spiegelt sie sich im Denkmal?« Der Hermann bestand aus Kupfer.
»Vielleicht hat eine Elster dort ihr Nest gebaut und etwas Glitzerndes hineingelegt«,
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