Blut von meinem Blut: Thriller (German Edition)
Opfer seines Vaters hatte es ebenfalls eine Bestattung ohne Leiche gegeben. Natürlich waren in der Regel mehr Trauergäste anwesend. Bei Janice Dent, der Frau von Billy, waren es weniger als ein Dutzend. Die Presse wurde glücklicherweise am Friedhofstor zurückgehalten.
Niemand würde um Janice Dent weinen. Nicht heute. Ihre Eltern waren lange tot, und sie war ein Einzelkind gewesen. Sie hatte, soviel Jazz wusste, keine Freunde in Lobo’s Nod zurückgelassen, zumindest keine, die sich bei der Ankündigung der Bestattung zu erkennen gegeben hätten. Jazz fand es passend. Sie war allein verschwunden, und jetzt würde sie allein beerdigt werden.
Jazz’ Freundin Connie, die neben ihm stand, drückte ihm fest die Hand. An seiner anderen Seite stand G. William Tanner, der Sheriff von Lobo’s Nod und der Mann, der Billy Dent vor mehr als vier Jahren der Gerechtigkeit zugeführt hatte. Er kam einer Vaterfigur für Jazz näher als irgendwer sonst, eine Ironie, über die Billy Dent wahrscheinlich gelacht hätte. Es war genau seine Art von Humor.
» Lieber Gott « , sagte der Priester, » wir bitten dich, in deinem Reich weiter über unsere geliebte Schwester Janice zu wachen. Sie ist schon vor geraumer Zeit von uns gegangen, o Herr, und wir wissen, du hast seither über sie gewacht. Halte auch weiter deine schützende Hand über uns, die wir um sie trauern. «
Jazz merkte zu seinem Befremden, dass er die Sache möglichst schnell hinter sich haben wollte, dass der Priester zum Ende kommen und sie alle gehen lassen sollte. Seit dem Angriff des Impressionisten – eines Möchtegern-Billy-Dent – auf Lobo’s Nod und Billys anschließender Flucht aus dem Gefängnis vor ein paar Monaten hatte Jazz ein brennendes Verlangen verspürt, so viel wie möglich von seiner Vergangenheit abzuschließen. Er wusste, die Zukunft hielt eine brutale Abrechnung bereit – Billy hatte bisher stillgehalten, aber das würde nicht so bleiben –, deshalb wollte er Frieden mit seiner Vergangenheit schließen. Endlich den Tod seiner Mutter einzuräumen war der größte Schritt, den er bislang unternommen hatte.
Jazz war es egal gewesen, welche Glaubensgemeinschaft seine Mutter beerdigte. Pfarrer McKane von der katholischen Kirche in der Stadt hatte höchst bereitwillig zugestimmt, die Messe abzuhalten, weshalb sich Jazz für den katholischen Ritus entschied. Da der Priester nun immer weiter schwafelte, fragte sich der Junge, ob er sich nicht doch nach einer weniger wortreichen Religion hätte umsehen sollen. Er seufzte, drückte Connies Hand und blickte geradeaus auf den Sarg. Er enthielt eine Menge brandneuer Plüschtiere, ähnlich jenen, die Jazz’ Mutter ihm als Kind gekauft hatte. Er enthielt außerdem eine Ladung Törtchen mit Zitronenglasur, die Jazz gebacken hatte. Es war die stärkste Erinnerung, die er an seine Mutter hatte – die Törtchen mit Zitronenglasur, die sie gebacken hatte. Er hätte einfach eine Messe und einen Grabstein haben können, aber er hatte die ganze Erfahrung haben wollen, eine Beerdigung mit allem Drum und Dran. Er wollte seine Vergangenheit wortwörtlich begraben.
Sentimental? Wahrscheinlich. Und wenn schon. Er wollte alles begraben – die Erinnerung und das Gefühl – und weitergehen.
Jazz wusste, dass rund um den Friedhof mehr als ein Dutzend Polizisten und FBI -Beamte postiert waren. Nachdem die Behörden Wind von Jazz’ Vorhaben einer Bestattungsfeier für seine Mutter bekommen hatten, bestanden sie darauf, diese zu überwachen, weil sie überzeugt waren – oder es vielleicht auch nur hofften –, Billy würde nicht widerstehen können, bei dieser Gelegenheit aus seinem Versteck aufzutauchen. Es war Zeitverschwendung, wie Jazz ihnen erklärt hatte, aber seine Beteuerungen verhallten ungehört.
Billy würde sich niemals für etwas so Banales und Berechenbares wie eine Beerdigung eine Blöße geben. Er hatte zwar gelegentlich dem Begräbnis eines Opfers beigewohnt, aber das war gewesen, bevor die Fernsehkanäle sein Bild in HD rund um die Welt bekannt gemacht hatten. » Butcher Billy « war zu klug, um sein berühmtes Gesicht ausgerechnet hier zu zeigen.
» Wir versuchen es trotzdem « , hatte ein FBI -Agent zu Jazz gesagt; der hatte mit den Schultern gezuckt und erwidert: » Steuergelder zu verschwenden ist nun mal ihr Vorrecht, würde ich sagen. «
Endlich kam der Priester zum Ende. Er fragte, ob jemand etwas am Grab sagen wollte, und sah Jazz dabei demonstrativ an. Aber Jazz hatte nichts zu
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