Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
Frau und der Mann regten sich nicht. Adam ging durch den Flur, das Messer immer im Anschlag, und betrat das zweite, kleinere Schlafzimmer. Sally besaß gar kein richtiges Bett, nur eine Matratze. Das wenige Spielzeug war viel geliebt worden und auf jedem nur verfügbaren Stück Papier hatte Sally gemalt – auf alten Zeitungen, braunen Einkaufstüten, Geschenkpapier, Packpapier. In einem runden Pappkarton von Kentucky Fried Chicken steckten viele Wachsmalstifte, manche waren nur noch abgenutzte Stummel. Ein paar Milchkisten aus Plastik dienten als behelfsmäßige Kommode. Daneben fand Adam einen Rucksack von Hello Kitty. Adam stopfte Kleider, Haarspangen, eine Bürste und ein paar Barbiepuppen hinein, dazu noch Malbücher und eine Handvoll Wachsmalstifte. Und ein Paar Turnschuhe. Dann nahm er Sallys Jacke – pinkfarbenes Kunstfell – ihre Decke und ihr Kissen. Morgen würde er ihr neue Stifte kaufen. Auf keinen Fall würde sie jemals wieder hierhin zurückkehren.
Im Wohnzimmer schliefen die Frau und der Mann noch immer komatös. Einer von beiden schnarchte. Als Adam an ihnen vorbeiging, zertrat er eine Meth-Pfeife. Neben dem Beistelltisch stand ein Paar schicker schwarzer Leder-Cowboystiefel, und über der Rückenlehne eines Küchenstuhls hing eine dazu passende Motorradjacke mit wattierter Fütterung. Adam schlüpfte in die Jacke und probierte die Stiefel an. Sie waren etwas zu groß, aber alle Mal besser als seine durchlöcherten Turnschuhe, die er im Mobilheim zurückließ. Dann plünderte er die Küche. Außer den Zutaten, die man brauchte, um Meth zu kochen, gab es allerdings wenige Vorräte. Aber jetzt, wo er zwei Münder sattkriegen musste, benötigte Adam mehr als das, was ihm noch an Proviant in der Höhle blieb.
Er nahm eine Packung mit Instant-Haferflocken, ein paar Dosensuppen, gefüllte Waffeln und Kekse mit. Im Gefrierfach stieß er zu seiner Überraschung auf ein von Gummibändern zusammengehaltenes Bündel Dollarnoten. Er steckte das Geld ebenfalls ein. Von einem Haken neben der Eingangstür ließ er auch noch zwei Sets Autoschlüssel mitgehen.
Bevor er das Mobilheim verließ, öffnete er alle Fenster und Türen. Er fühlte sich wie der Weihnachtsmann, als er, Sallys pinkfarbene Decke, in die er seine Beute eingewickelt und die er wie einen Sack über die Schulter geworfen hatte, zum Pick-up zurückkehrte. Sally schlief, aber sie lächelte und drückte seinen Finger, als er ihre Hand nahm. Alles war schön und warm und pink. Genauso, wie es sein sollte. Er hoffte, dass es verdammt noch mal kalt genug war, damit der Fisch, den er im Mobilheim zurückgelassen hatte, zu Tiefkühlfisch wurde.
Kapitel 7
Adam wachte davon auf, dass jemand mit dem Finger in seinem Ohr bohrte. Es kitzelte. Dann hörte er das Kichern eines kleinen Mädchens. Sally zog den Finger aus seinem Ohr und tastete sein Gesicht ab, als sei sie blind. In der Höhle war es dunkel genug, wahrscheinlich fühlte sie sich tatsächlich blind. Er lächelte unter ihrer kleinen Handfläche hervor. Sie kicherte wieder. Damit es nicht urplötzlich gleißend hell um sie herum wurde, knipste Adam zuerst nur seine kleine LED-Taschenlampe an und gab sie dem Mädchen. Helle Lichtstrahlen mit bläulichem Rand tanzten durch die Dunkelheit über ihnen. Er schob die pinkfarbene Decke zur Seite und setzte sich auf. Die Decke legte er Sally um die Schultern.
»Guten Morgen.«
Sie hüpfte aufgeregt umher, das Spiel mit dem Licht sichtlich genießend.
»Hey Adam«, flötete sie, als wachte sie jeden Tag neben irgendwelchen Fremden auf. Der Szene, die sich ihm in dem Mobilheim geboten hatte nach zu urteilen, war das sogar gut möglich. Sie drehte sich um. Im Licht der Taschenlampe sah er ihr Gesicht.
»Wo ist das Töpfchen?«
Ups. Das war nicht eingeplant gewesen. Da hatte er wohl nicht an ein kleines Mädchen gedacht. Eilig funktionierte er einen Eimer zu einer behelfsmäßigen Toilette um und stellte ihn in der hintersten Ecke der Höhle hinter eine Felsformation, damit Sally etwas Privatsphäre hatte. Sie beschwerte sich nicht über die primitiven Verhältnisse, aber Adam schämte sich. Jetzt, da er etwas Geld besaß, sollte er ihr etwas Besseres bieten. Er schrieb eine Einkaufsliste.
Bevor er losging, frühstückten sie draußen. Sie hörten dem Wetterkanal zu und beobachteten, wie sich die Eichhörnchen in den Bäumen jagten. Sally klatschte in die Hände und feuerte ihren Favoriten an, dem sie Kekskrümel hinwarf. Der Typ im Radio kündigte
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