Blutiger Halloween
hatte sie zu Fäusten verkrampft.
Hinter sich vernahm er Schritte. Die anderen kamen und blieben neben ihm stehen.
»Ist sie tot?« fragte ein Mädchen stockend.
»Ja«, antwortete Ronny.
»Und wir haben sie umgebracht«, flüsterte ein anderer…
***
Nach diesen Worten war es lange still. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, die sich zumeist um Angela drehten. Sie war ihre Klassenkameradin gewesen, ein stilles, liebes Mädchen, nur eben ein wenig ängstlich. Deshalb hatten sich die sechs zusammengefunden, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen.
Es hatte mit Angelas Tod geendet!
Ein Wahnsinn. Eine irre, verwerfliche Tat. Sie hatten dem Mädchen die Angst austreiben wollen, und nun war so etwas passiert. Stumm standen sie da. Vier Jungen und zwei Mädchen. Die weiblichen Schüler standen dicht zusammen, hatten Hautkontakt, und eine jede spürte das Zittern der anderen.
Das Schweigen lastete wie eine Glockenhaube über ihnen. Niemand wollte den Anfang machen und ein Wort sagen. Sechs stumme Gestalten umstanden das tote Mädchen und wurden eingehüllt von den dampfenden Nebelwolken, die träge herbeizogen, auch die Mauern berührten, als wollten sie mit ihren hellgrauen Händen an der Hauswand hochkriechen.
»Was machen wir denn jetzt?« Carries Stimme unterbrach das Schweigen. Eine Antwort bekam sie nicht.
»Wir müssen doch etwas tun!« Diesmal klang ihre Stimme schon lauter.
»Die Polizei…«
»Nein!« rief Ronny, als sein Nebenmann das Wort aussprach. »Keine Polizei.«
»Man wird die Leiche finden«, sagte Rusty Keene. »Dann kommen die Fragen sowieso.«
»Wirklich?« Diese Worte sprach Paul Frye aus.
»Wie meinst du das denn?« wollte Julie, das zweite Mädchen, mit zitternder Stimme wissen.
Paul lachte. »Laß die Bullen kommen. Schaut mal nach oben. Das sieht alles nach Selbstmord aus. Angela hat sich aus dem Fenster gestürzt. Sie war schon immer sehr seltsam und ängstlich. Wir können das schließlich bezeugen, und uns kann keiner an den Kragen. Oder wie seht ihr die Sache?«
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Carrie Blake und hob ihre Schultern. »Es ist mir unwohl dabei.«
»Ja, mir auch«, gab Rusty zu.
»Der Plan ist gut.« Rusty bekam von Ronny Wilder Unterstützung. »Der ist sogar ausgezeichnet. Wenn wir uns gegenseitig versprechen, zu keinem ein Wort von diesem Abend zu erzählen, wird alles klargehen. Jedenfalls bin ich der Überzeugung.«
Die übrigen fünf hielten sich zurück. Niemand wollte so recht zustimmen.
»Los, sagt was!« forderte Ronny Wilder.
»Wir machen es!« Rusty entschied für die anderen mit. »Oder will sich jemand querstellen? Wenn das passiert, reißt er nicht nur uns rein, sondern auch sich selbst. Das ist doch jedem von euch inzwischen klar geworden.«
Die anderen nickten.
»Dann werden wir uns gegenseitig schwören, zu keinem ein Wort zu sagen«, meldete sich Jack Mitchum. »Auch nicht zu den Eltern und Geschwistern. Niemand darf und wird je etwas erfahren.«
Die anderen nickten.
Wenig später hatten sie einen Kreis gebildet und sich an den Händen gefaßt.
Sie sprachen den Schwur.
Ihre flüsternden Stimmen wurden von den grauen Nebelschwaden geschluckt. Eine Armlänge weiter waren sie schon nicht mehr zu verstehen. Doch die Schüler hörten sie.
Jeder vermied es tunlichst, auf die Tote zu schauen. Sie hatten ihr Bild lange genug in sich aufgenommen und wollten nicht mehr hinsehen. Nachdem sie ihre Hände wieder gelöst harten, drang irgendwie befreiendes Atmen über ihre Lippen.
»Das wär's also«, sagte Ronny Wilder. Da er die Maske gehalten hatte, war seine Angst am größten gewesen.
»Und jetzt verschwinden wir«, schlug Jack Mitchum vor.
»Was denkst du denn?« sagte Rusty Keene.
Sie drehten sich um und gingen wieder zurück. Vor ihnen lag der Park, der zu dem Komplex gehörte.
Kaum hatten sie die ersten Schritte zurückgelegt, als sie die Stimme hörten und wie angenagelt stehenblieben.
»Halloween…«, klang die dünne, helle, unheimliche Stimme durch den immer dichter werdenden Nebel. »Bald ist wieder Halloween…«
Die sechs Gesichter der Schüler froren ein. Niemand konnte noch etwas sagen. Jeder hatte diese geisterhafte Stimme vernommen, und jeder hörte das gemeine Lachen, das abermals mit dem Wort Halloween ausklang.
Die Freunde duckten sich, als hätten sie Schläge bekommen. Sie starrten sich an. In den Gesichtern und ihren Augen war die Angst zu lesen. So etwas konnten sie einfach nicht begreifen.
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