Blutiger Halloween
nächsten Tag ein Halloween-Fest feiern, und zwar auf dem Grund und Boden des Internats. Das ist alles gut und schön, die jungen Leute lassen auch die alten Traditionen wieder aufleben, und ich wäre der letzte, der darin etwas Schlechtes sähe. Wenn es da nicht einen Haken gäbe.«
»Welchen, Sir?«
»Diesen Brief!«
Mein Chef reichte ihn mir. Ich nahm ihn entgegen, strich das Papier glatt und begann laut zu lesen.
»Meine liebe Carrie, ich freue mich außerordentlich, daß in diesem Jahr ein großes Halloween-Fest stattfindet. Ihr werdet alle kommen, und auch ich halte mich bereit. Ihr wißt, das Halloween-Fest ist der Beginn des Winters und das Fest der Masken. Auch ich trage eine Maske, und ich trage noch etwas. Ein Messer. Und dieses Messer ist für euch, meine Lieben. Ich freue mich schon, wenn es in eure Körper dringt. Eine alte Rache, mögen auch Jahre vergangen sein, erlischt nie.«
Unterschrieben waren die Zeilen mit einem großen A. Nur ein Buchstabe, mehr nicht.
Ich ließ den Brief sinken und blickte Sir James an. »Hat diesen Brief die Tochter Ihres Bekannten bekommen, Sir?«
»So ist es.«
»Und wie hat sie reagiert?«
»Mit ihr selbst habe ich leider nicht gesprochen. So kann ich nur das wiedergeben, was man mir berichtet hat.«
»Ihr Vater?«
»Sicher. Er zeigte sich ein wenig geschockt, denn auch die Reaktion seiner Tochter gab ihm zu denken.«
»Wieso?«
»Carrie wurde sehr blaß, wie er meinte.«
Ich verzog den Mund. »Das wäre wohl jedem von uns so ergangen, kann ich mir vorstellen.«
»Da will ich nicht widersprechen.« Sir James deutete mit einem Bleistift auf den Brief. »Was auf dem Papier steht, John, das ist eine Morddrohung. Davon müssen wir ausgehen, und daran gibt es auch weiter nichts zu rütteln, wie mir scheint.«
»Das denke ich auch.«
»Würden Sie diese Drohung ernst nehmen?«
Eine Frage, die ich im Moment nicht beantworten konnte. Da hätte ich mich erst einmal mit dem Mädchen unterhalten und weitere Informationen sammeln müssen. Überhaupt hatte ich nicht viel in der Hand. Nur den Brief!
»An einen Scherz glaubt keiner der Blakes«, erklärte mir Sir James Powell.
»Und weshalb nicht?«
»Denken Sie an die Entführungen und Anschläge in der Welt. Das ist alles kein Spaß. Die Morddrohung ist es auch nicht. Ich nehme sie jedenfalls ernst.«
Ich krauste die Stira Innerlich hatte ich mich längst entschlossen, dem Internat einen Besuch abzustatten, und die nächste Frage war gezielt gestellt. »Wo finde ich das Internat?«
»Es liegt ein wenig außerhalb von London. Auf dem Lande. Kennen Sie Canterbury?«
»Natürlich.«
»Von dort aus müßten Sie dann in Richtung Dover fahren. Sie nehmen die Autobahn A 2!«
»Sie haben sich gut erkundigt, Sir.«
»Das gehört zu meinen Aufgaben. Dennoch, John, ich möchte Sie noch einmal fragen, ob Sie den Job übernehmen wollen. Schließlich haben Sie am Wochenende frei und wahrscheinlich etwas anderes vor.«
»Nun ja…« Ich hob die Schultern.
Sir James fixierte mich. Dann stellte er seine Frage. »Haben Sie mit Miß Perkins etwas arrangiert?«
»Wie kommen Sie darauf, Sir?«
Der alte Fuchs verzog seine Lippen. »Es gibt Geheimnisse, die sind offen. Ich laufe zudem nicht mit geschlossenen Augen durch die Gegend und erkenne am Blick der jeweiligen Personen, wie sie zu den anderen stehen. Bei Miß Perkins habe ich schon manches beobachtet, John, Sie sind dieser netten Dame nicht gleichgültig.«
Verdammt, jetzt wurde ich trotz allem noch rot. Das hatte Sir James wahrlich geschafft. Rasch leerte ich mein Glas.
Sir James wechselte das Thema. »Das Internat nennt sich Monkfort House und hat einen guten Ruf. Falls Sie jemand mitnehmen wollen, steht dem nichts im Wege. Ich darf aber auch an die Gefahren erinnern, die Sie eventuell erwarten werden.«
»Oder auch nicht.«
»Die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig. Wie Sie sich entscheiden. John, ist Ihre Sache.«
»Und welches Entree verschaffe ich mir?« wollte ich wissen.
»Sie sind ein Bekannter von Mr. Blake. Ihn finden sie ebenfalls auf dem Halloween-Fest, denn er hat Angst um seine Tochter.«
»Gut, Sir, dann werde ich mich an ihn wenden.« Ich stand auf und schob den Stuhl zurück.
Sir James reichte mir die Hand. Seinem Gesichtsausdruck las ich ab, daß ihm ein Stein vom Herzen gefallen war. Ich hoffte nur, daß alles glattlief und sich die Morddrohung als Scherz herausstellte. Im Flur dachte ich über den Halloween-Tag nach. Was wußte ich alles
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