Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kneifl
Vom Netzwerk:
seine Hände haben sich verkrampft. Außerdem hat er vor fast jedem dritten Wort eine Pause eingelegt – hast du das nicht bemerkt?“
    „Wow! Ich wusste bisher nicht, dass du die Körpersprache anderer Leute so gut lesen kannst. Noch dazu, wenn du sie nur von hinten siehst.“
    Simon wartet beim nächsten Felsvorsprung auf uns. Mike klettert bereits etwa fünfzig Meter weiter den Abhang hinunter.
    „Er ist kein Hopi. Er spricht die Sprache der Hopi mehr schlecht als recht. So wie einer dieser weißen Anthropologen, die sich jahrelang bemühen, unsere Sprachen zu lernen“, sagt Simon.
    „Wieso sprichst du ihre Sprache?“
    „Ich war als Kind viel mit Hopi zusammen. Das Reservat, in dem ich zum Teil aufgewachsen bin, grenzt unmittelbar an das Land der Hopi. Einige meiner besten Jugendfreunde waren Hopi. Nur mehr rund fünftausendzweihundert Menschen sprechen diese Sprache.“
    Ich habe keine Lust, mir einen von seinen Vorträgen anzuhören. Bin nach wie vor ein bisschen sauer auf ihn. Ich versuche Mike einzuholen.
    Nach Westen hin tauchen dunkle Regenvorhänge am Horizont auf. Ein paar Meter unter mir kniet Mike auf einem Felsen und verbeugt sich vor zwei Maiskolben, die er vor sich auf einen Felsen gelegt hat.
    „Er bringt den Schutzgeistern des Salzpfades kleine Opfergaben dar“, sagt Simon, der knapp hinter mir ist.
    „Die werden den Regen verhindern, oder?“
    Simon und ich grinsen uns an.
    „Ich weiß jetzt übrigens, warum sie ihn ‚The Snake‘ nennen. Wegen eines fehlenden oberen Schneidezahns zischt er beim Sprechen so komisch, wie eine Schlange“, sagt Orlando, der uns inzwischen eingeholt hat. Er trägt heute ausnahmsweise vernünftige Kleidung, Jeans und neue Converse, die er sich in Santa Fe gekauft hat.
    „Halt den Mund“, fahre ich ihn an und lasse mich demonstrativ neben Mike auf dem steinigen Boden nieder.
    Simon und Orlando setzen sich hinter uns auf einen Felsvorsprung.
    Schweigend starren wir die fast zweitausend Meter hinunter auf das funkelnde smaragdgrüne Wasser des Little Colorado River.
    Der Fluss hat sich tief in die Berge gegraben. Wild zerklüftet und unüberwindlich ragen die Steilwände in den Himmel. Im Westen bauen sich jetzt drohend schwarzgraue Kumuluswolken auf.
    „Gleich werden heftiger Regen, Blitz und Donner kommen – dieser ‚männliche‘ Regen, den ihr Navajo ja so liebt“, sagt Mike und sieht Simon herausfordernd an.
    Simon wirft einen besorgten Blick auf den Himmel. Ein fernes Donnergrollen scheint Mikes Worte zu bestätigen.
    „Wir Hopi bevorzugen den sogenannten ‚weiblichen‘ Regen, der das Gras wachsen lässt und uns eine gute Maisernte verspricht“, sagt Mike.
    „Blabla“, spottet Orlando genervt.
    „Wir müssen sofort umkehren. Das sieht böse aus.“ Simon greift nach meiner Hand und zieht mich hoch.
    Ich gehe mit ihm voran.
    Er erzählt mir, dass er vor kurzem ein Mail von seinen Mitarbeitern auf seinem Handy abgerufen habe. „Mikes Fingerabdrücke stimmen nicht mit denen des zweiten Täters überein. Das FBI hat aber seine Fingerabdrücke. Mike saß mal im Gefängnis wegen Drogenhandels.“
    Ich bin total erleichtert.
    Simon wirkt jedoch deprimiert. „Ich weiß nicht, wonach wir hier noch suchen. Wir sollten schleunigst zurück nach Las Vegas. Ich kann so nicht arbeiten.“
    „Was ist los mit dir?“
    „Ich fühle mich nicht gut. Ich kann dieses Gefühl nicht benennen. Es ähnelt Traurigkeit. Aber das ist es nicht ... nein, ich weiß, was es ist: Es ist das Gefühl der Niederlage. Ich habe versagt. Der zweite Mörder deiner Eltern rennt frei herum und ich habe keine Spur von ihm. Das ist sehr bitter für mich.“
    „Vielleicht ist er wirklich im Mittleren Osten getötet worden. Yellow Cloud und dieser Donally waren sich ganz sicher.“
    „Und wer hat die beiden holländischen Touristinnen am Rio Grande auf dem Gewissen? Ein Nachahmungstäter?“
    „Scheiße! Du hast Recht.“
    Als wir im Grand Canyon Village ankommen, verabschieden wir uns rasch von Mike und gehen zu Simons Wagen.
    Simon liest ein Mail auf seinem iPhone und entfernt sich ein paar Meter von uns. Das anschließende Telefonat dauert eine kleine Ewigkeit.
    Als er zurückkehrt, ist er aschfahl im Gesicht.
    „Ihr wisst, dass ich veranlasst habe, dass dieser Jamie wegen der Highway-Überfälle festgenommen wird. Als Erstes sind ihm natürlich seine Fingerabdrücke abgenommen worden. Ein junger Kollege ist auf die glorreiche Idee gekommen, sie durch den Computer zu jagen.

Weitere Kostenlose Bücher