Blutiges Schweigen
hatte sich über einen Wassereimer gebeugt und wusch gerade das Heck eines schwarzen Range Rover Sport mit getönten Scheiben und blitzblanken Stahlfelgen. In der Doppelgarage hinter ihm standen ein Ford Pick-up mit Baumaterial auf der Ladefläche und eine funkelnde rote Suzuki.
»David«, sagte er und ließ den Schwamm in den Eimer fallen.
Wir schüttelten einander die Hand. »Schönes Auto.«
Ich wies mit dem Kopf auf den Range Rover, an dessen Stoßstange Schaumblasen perlten. Er warf einen Blick darauf, antwortete aber nicht. Vermutlich wollte er die Tatsache überspielen, dass sein übermotorisierter Fünf-Liter-Geländewagen mehr gekostet hatte als so manches Eigenheim. Vielleicht interessierte es ihn ja auch wirklich nicht mehr. Geld spielte keine große Rolle, wenn es einem nicht das erkaufen konnte, wonach man sich am meisten sehnte.
Er schob mich ins Haus. Eichenparkett und dicke Teppiche. Ein Wohnzimmer, das in ein Esszimmer und in eine Küche überging. Die Küche war offen und mit Stahl und Glas ausgestattet. Die Wände waren cremefarben. Über unseren Köpfen erhob sich die Decke zu einem kunstvollen Gewölbe. Eine Empore mit einer Treppe zog sich an drei Wänden entlang. Hinter der Empore konnte ich zwei Schlafzimmer und ein Bad erkennen.
»Haben Sie das entworfen?«
Er nickte. »Nun, die Sache mit der Empore. Die Kirche gibt es schon viel länger als uns.«
»Es ist wunderschön.«
»Danke. Wir hatten großes Glück.« Eine Pause entstand, als ihm die Tragweite seiner Worte klar wurde. »In mancher Hinsicht zumindest.«
Ich folgte ihm in die Küche.
»Möchten Sie einen Kaffee?«
»Ja, schwarz bitte.«
Er nahm zwei Tassen aus dem Schrank. »Ich weiß nicht, wo Sie anfangen wollen«, sagte er, während er einschenkte. »Megans Zimmer ist oben. Sie können gerne raufgehen und sich umschauen. Falls Sie möchten, zeige ich Ihnen gern alles.«
»Ich würde mich lieber allein umsehen«, erwiderte ich und ließ mir von ihm die Tasse reichen. »Allerdings habe ich noch einige Fragen an Sie.«
»Nur zu.« Als er lächelte, wurde mir klar, dass es sich um einen Abwehrmechanismus handelte. Einen Weg, den Schmerz zu verbergen. »Fragen Sie, was Sie wollen.«
Wir wechselten ins Wohnzimmer. Hinten im Raum kauerte Leigh, der Sohn der Carvers, auf allen vieren und ließ ein Plastikauto unter dem Telefontisch herumfahren. Bei unserem Eintreten blickte er auf, und als sein Vater ihn anwies, mich zu begrüßen, murmelte er etwas und wandte sich wieder seinem Auto zu.
Ich förderte Stift und Block zutage. »Lassen Sie uns noch einmal über den dritten April reden.«
»Den Tag, an dem sie verschwand.«
»Richtig. Haben Sie sie immer zur Schule gebracht?«
»Meistens.«
»Manchmal auch nicht?«
»Hin und wieder hat Caroline das übernommen. Wenn ich einen Auftrag in größerer Entfernung habe, verbringe ich gern die ersten Wochen auf der Baustelle. Danach kann der Polier sich um alles kümmern, und ich erledige den Papierkram von zu Hause aus. Dann habe ich Megan …« Er hielt inne. »Dann bringe ich Megan zur Schule und Leigh in den Kindergarten.«
»Also waren Sie am dritten April auf einer Baustelle?«
»Ja.«
»Und deshalb hat Caroline sie gefahren?«
»Korrekt.«
»Hat sie Megan auch abgeholt?«
»Nein, das war ich.«
»Und wie ist das abgelaufen?«
»Ich habe draußen geparkt«, erwiderte er. »Jeden Tag an derselben Stelle. Aber Megan ist nicht rausgekommen. Ganz einfach. Sie hat das Schulhaus betreten und wurde nie wieder gesehen.«
Ich machte mir Notizen. »Welche Fächer waren denn Megans Schwerpunkte?«
»Naturwissenschaften — Physik, Chemie, Biologie.«
»Haben Sie je ihre Lehrer getroffen?«
»Ein paarmal.«
»Wie sind sie denn so?«
»Sympathisch. Megan war eine gute Schülerin.«
Er nannte mir die Namen, die ich ebenfalls aufschrieb.
Dann wechselte ich das Thema, um zu verhindern, dass er emotional wurde. »Hat Megan nebenbei gejobbt?«
»Sie hat jedes zweite Wochenende in einer Videothek gearbeitet.«
»Hat es ihr dort gefallen?«
»Ja, so hat sie sich etwas dazuverdient.«
»Wer waren ihre Kollegen?«
»Namen? Keine Ahnung. Da müssten Sie selbst nachfragen.«
»Wo ist sie sonst noch hingegangen?«
»Meinen Sie Pubs und Diskotheken?«
»Alles, was Ihnen einfällt«, antwortete ich. »Wo hat sie sich gerne aufgehalten?«
»Nach den Lokalen, wo sie an den Wochenenden waren, müssen Sie sich bei ihren Freunden erkundigen. Am Zahltag haben sie oft die Stadt
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