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Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Weitbrecht
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eingesehen, weiterhin aktiv zu bleiben. Außerdem gab es genügend ‚Nur-Hausfrauen‘ unter den Müttern.
    „Am Montag ist Elternsprechtag! Um acht. Du wolltest doch hin, um dich zu beschweren – wegen dem blöden Pauker!“, erinnerte Julian sie im Hinausgehen. Anne wusste, worum es ging. Ein Lehrer, eindeutig ein Choleriker, hatte die Angewohnheit, Schlüssel in Richtung Schülerköpfe zu werfen. Manchmal flogen auch Bücher durch die Luft. Julians Motivation und Noten in diesem Fach waren seit Anfang des Schuljahres deutlich gesunken. Dafür stand er in Englisch immer auf Eins, seine Angewohnheit, amerikanische Filme in Originalton anzusehen, zahlte sich aus. Zu etwas war das Kabelfernsehen wenigstens nützlich!
    |19| Anne nahm ihren Palm, den Handheld-Computer, den sie immer bei sich trug und der nun neben der Butter auf dem Küchentisch lag, in die Hand und tippte ihren Terminkalender an.
    Für Montagabend gab es nur den einen Eintrag: ‚Schule‘. Sie drehte das Küchenradio lauter. Im Wetterbericht hieß es: sonnig – Temperatur bis zu 28 Grad. Endlich! Der April war zu nass gewesen.
    Jetzt erst mal in Ruhe zu Ende frühstücken, die Zeitung durchblättern, hinterher duschen und anziehen. Sie fühlte sich mit einem Mal gut, das schöne Wetter tat sein Übriges. Vielleicht sollte sie ihren Lustkauf, das neue Kleid anziehen! Auf ihm leuchteten, wie von einem Maler hingeworfen, lange Tropfen in einem kräftigen Lachsfarben und Türkis. Der Ausschnitt war nicht zu gewagt, und das Kleid hatte kleine Ärmel. Sie hatte es sich vorgestern in einem Anfall von Leichtsinn in der kleinen Boutique in der Hirschstraße gekauft. Darüber den schwarzen Leinenblazer, damit sie das Schulterhalfter mit ihrer Heckler&Koch-P2000-Dienstwaffe, verstecken konnte. Es war Vorschrift, die Waffe bei Außeneinsätzen immer zu tragen. Damit wäre sie nicht nur fürs Dezernat, sondern auch bei eventuellen Vernehmungen seriös angezogen. Dazu die Ballerinas, keine Strumpfhosen. Auch wenn ihre Mutter sie wieder tadeln würde: „Eine Dame zieht immer Seidenstrümpfe an!“
    Anne lachte darüber. „Mama, mein letztes Paar Seidenstrümpfe habe ich bei einem Kampf mit einem Schwerverbrecher zerfetzt. Schließlich bin ich keine Dame, sondern eine hart arbeitende Frau, eine Polizistin bei der Mordkommission, die sich ihre Brötchen selbst verdient.“
    Meistens verkündigte Magda ihre anderen Maxime in einem Brustton der Überzeugung, der keinen Widerspruch duldete: ‚Billige Kleidung ist zu teuer. An den Schuhen erkennst du einen Herren. Die Gabel wird zum Mund geführt und nicht umgekehrt‘. Anne war mit diesen Lebensweisheiten groß geworden.
    Noch einmal tippte Anne ihren Terminkalender an. Für heute, Samstag stand: zehn Uhr: Nach Mutter Marlene sehen! Den Besuch im Pflegeheim bei ihrer Ex-Schwiegermutter schob sie schon lange genug vor sich hin.
    Aber bis dahin hatte sie noch über zwei Stunden Zeit.
     
    Alberts Bronchien pfiffen wie die alten Dampfloks, die er, bis der Güterbahnhof in Bad Cannstatt vor zwanzig Jahren geschlossen wurde, rangiert hatte. Die Pollen von Haselnuss und Birke flogen. Sein Asthma plagte ihn wieder besonders schlimm. Während er marschierte, brannte |20| zu allem Überfluss die Vormittagssonne erbarmungslos auf ihn herab. Er besaß ein kleines Haus in der Brandgasse im Kern von Alt-Feuerbach. In dem Häuschen war alles niedrig, eng: Unter den Türzargen musste er den Kopf einziehen. Auch das Stückchen Erde davor schien eher etwas für Zwerge zu sein, anbauen konnte man auf ihm nichts. Und so wurde er Schrebergärtner. Vierzig Jahre hatte er schon seinen Garten in der ‚Kirschblüte‘. Der Weg dorthin hatte sich seitdem, bis auf einen Neubau aus den Achtzigerjahren, nicht viel verändert.
    Albert erreichte die Grünewaldstraße, die zum Killesberg und Kräherwald führte. Den notdürftig geflickten Straßenbelag und die Schlaglöcher umging er, stützte sich dabei auf seinen Stock und gönnte sich eine Pause.
    Die Stadtausläufer von Feuerbach im Rücken und das Botnanger Tal zur Rechten ging es nun bergauf. Albert erreichte die linker Hand liegenden umzäunten Privatgärten mit den zu Wohnhäusern umgebauten, ehemaligen Lauben. Diese bildeten, wie der schmale Mischwald zur Rechten, die Grenze zu den Kleingärten. Seine Parzelle, die Nummer 10, lag zwar am Hauptweg der Anlage, er konnte sie aber auch über einen schmalen Waldpfad erreichen.
    Albert zog ein blaukariertes Stofftaschentuch aus seinem

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