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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nevada Barr
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sich zwischen dem verrottenden Holz.
    Und ein Bär, der sich verstecken wollte, würde das auch tun.
    Als Anna ihren Gedanken in den Wald folgte, wurde ihr zum ersten Mal klar, was für eine Plackerei es werden würde, sich querfeldein durchs Unterholz zu kämpfen, um die Fallen zu kontrollieren und zu versetzen. Insgeheim war sie erleichtert, dass das Hochland ihr Ziel war, das zum Teil oberhalb der Baumgrenze lag. Dass ein gutes Stück außerdem dem Waldbrand von 1998 zum Opfer gefallen war, würde das Vorwärtskommen auch ein wenig erleichtern.
    Sie war so in Gedanken versunken, dass sie, als sie um eine Kurve bog, beinahe mit Rory Van Slyke zusammengeprallt wäre. Auf der von den Wildhütern herausgegebenen Liste von Verhaltensweisen zur Gefahrenabwehr im Land der Bären stand »Sei immer aufmerksam« gleich hinter »Gehe niemals allein los«. Bis jetzt hatte Anna in beiden Punkten kläglich versagt.
    »Hier hätten wir einen«, stellte Joan gerade fest, als Anna angestolpert kam. »Das ist einer der Scheuerbäume, die wir markiert haben. Ihr müsst nach einer gelben Raute wie dieser Ausschau halten.« Sie wies auf ein Stück reflektierenden Kunststoff, der in einer Höhe, die ein Durchschnittsmensch gerade mal mit dem Hammer erreichen konnte, an den Stamm genagelt war.
    »Wir nummerieren sie auch, damit wir genau wissen, an welchem Baum eine Probe sichergestellt wurde. Die Nummern stehen auf der Rückseite des Baums unten am Stamm. Wir wollen die Bäume zwar im Auge behalten, aber nicht jeden Wanderer im Park darauf aufmerksam machen.«
    »Wofür ist der Stacheldraht?«, fragte Rory. Im gleichen Moment bemerkte Anna die Stückchen, die in unregelmäßigen Abständen an den Baum geheftet waren.
    »Das kratzt sie ein bisschen tiefer und zieht die Unterwolle heraus, an der mit größerer Wahrscheinlichkeit ein wenig Haut hängt, sodass wir leichter an die DNA -Proben herankommen.«
    »Macht sie das nicht wütend?« Rory stand die Furcht vor einem aufgebrachten Grizzlybären, der sich womöglich in der näheren Umgebung herumtrieb, ins Gesicht geschrieben.
    »Nein«, beruhigte ihn Joan. »Sie mögen das. Das haben wir daran festgestellt, dass sie die mit Draht versehenen Bäume nicht meiden. Sie scheinen sie sogar vorzuziehen. Siehst du die Spuren?«
    Das Moos wies die Tatzenabdrücke vieler Bären auf, die den Weg vom Scheuerbaum zum Pfad genommen hatten. Zwei Abdrücke waren vom Hinundhertreten auf der Stelle größer als die anderen.
    »Spitze, was?« Anna musste zustimmen.
    »Funktioniert das mit dem Pfefferspray wirklich?«, erkundigte sich Rory.
    »Es ist das gleiche Spray, das wir auch in der Polizeiarbeit benutzen«, erwiderte Anna. »Es besteht aus einem Extrakt aus superscharfen Chilischoten. Wahrscheinlich klappt es also auch bei Bären. Außer sie haben Geschmack an mexikanischem Essen gefunden. Dann könnte es appetitanregend wirken.«
    Joan warf ihr einen Blick zu, der zwar einerseits belustigt war, aber andererseits klarstellte, dass Rory zu ärgern als Zeitvertreib eindeutig ausschied. »Wir werden gar nicht erst in eine Situation geraten, in der wir die Probe aufs Exempel machen müssen«, verkündete sie mit Nachdruck.
    »Rory, du bist wirklich eine Ausnahmeerscheinung. Die meisten Jungen lieben Bären. Ich bekomme sogar Fanpost, weil ich die Bärenfrau vom Glacier-Nationalpark bin.« Joans Tonfall war zwar freundlich wie immer, dennoch konnte man nicht überhören, dass die Forscherin gekränkt war. Schließlich machte Rory mit seiner Angst die Bären schlecht. »Ein Junge schickt mir alle paar Tage eine Mail. Er zeichnet eine Karte und möchte wissen, wohin die Bären zum Fressen ziehen.«
    »Ich mag Bären«, verteidigte sich Rory.
    »Das wirst du schon noch«, versprach Joan.
    »Sie würden dich sicher mögen«, fügte Anna unheilverkündend hinzu.
    Um dem kindischen Gezänk ein Ende zu bereiten, machte Joan den Fehler, Anna auf die Heidelbeeren hinzuweisen, die zusammen mit schwarzen Himbeeren und Elsbeeren überall wild im Park wuchsen. Im Spätsommer und Herbst, wenn sie reif waren, waren sie die Lieblingsspeise der Grizzlys und Schwarzbären. Sie verschlangen sie tonnenweise, um so viel Zucker und Fett wie möglich für den langen Winter anzusammeln, den sie zusammengerollt in Berghöhlen verbrachten.
    Die nächsten anderthalb Kilometer blieb Anna immer wieder zurück, pflückte die leckeren dunkelvioletten Beeren und lief dann den anderen nach, wobei ihr der Rucksack kräftig gegen Hüfte

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