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Blutlied -1-

Blutlied -1-

Titel: Blutlied -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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sich von einer Sekunde zur anderen über ein Stockwerk hinweg bewegen konnte und sich innerhalb eines Atemzuges in Luft auflöste. Die die Wahrheit wissen wollte.
    Das waren die Phantasien einer Mary Shelley oder eines Edgar Allen Poe. So etwas gab es im wirklichen Leben nicht. Caroline war weit davon entfernt, an Spukhäuser und darin beherbergte Gespenster zu glauben. Das war etwas für Kleingeister, für unaufgeklärte Menschen. Schließlich gab es schon Telegrafen, Warmwasserleitungen und Toilettenspülungen. Man lebte nicht mehr in der alten Zeit des Aberglaubens.
    Vor zwanzig Jahren hatte man im Hyde Park während der Great Exhibition viele fabelhafte Modernitäten präsentiert. Dinge, die das Leben schöner und erträglicher machten. England war ein hochtechnisierter Moloch und wies selbstbewusst in die Welt der Zukunft. Da war kein Platz für Aberglaube und Hokuspokus!
    Caroline freute sich schon darauf, den Glaspalast zu besichtigen, der als Wahrzeichen der Weltausstellung galt. Dieses Gebäude war ein Beweis für die moderne Zeit. So war die Welt von heute. Gespenster gehörten in den Kosmos der Märchen.
    Hatte ihr also das Gewissen einen Streich gespielt?
    Sie hatte nach dem Erwachen schon fast beschlossen, den schönen Morgen sorgenlos zu genießen und die Begegnung ins Reich der Träume zu verscheuchen, als sie den Morgenrock sah. Er hatte, wahllos hingeworfen, über dem Koffer gelegen. Diesen Morgenrock hatte sie getragen – vor wenigen Stunden.
    »Ich hatte heute Nacht Besuch!«, sagte sie. »Besuch von einem Gespenst!«
    Frederic blieb stehen. Fast wäre Caroline gestolpert. Ein paar Regentropfen fielen. Sie spannte den Schirm auf. Wollte sie ihr Gesicht verstecken? Hatte sie überhaupt das Recht, einen Fremden mit dieser Geschichte zu belästigen? Ein kleiner Junge bettelte sie an. Er wurde von einer keifenden Stimme weggerufen und zurechtgewiesen. »Armer Kerl ...«, flüsterte Caroline voller Mitleid. »Armer Oliver ...«
    »Ein Gespenst?«, fragte Frederic.
    Sie blickte dem Mann fest in die Augen. Amüsierte er sich über sie? Würde er herzhaft lachen? Würde er mit männlicher Arroganz die Stirn runzeln und herablassend reagieren?
    Frederic sah sie interessiert an. »Dort ist ein nettes Lokal. So viel ich weiß, gibt es dort ein hervorragendes Frühstück. Wenn Sie möchten, können Sie mir die ganze Geschichte erzählen.«
    »Ja, Friedensfürst ...«, sagte Caroline und jetzt lachte Frederic herzlich, wobei ihr sein besorgter Blick nicht entging.

Zwei Jahre später
     
     
    Sie hatte ihm alles erzählt. Voller Vertrauen und ohne Furcht, sich zum Narren zu machen. Danach waren sie noch eine Weile durch die Stadt geschlendert, erinnerte sich Frederic Densmore.
    Caro, seine Liebste!
    Die er von der ersten Minute an geliebt hatte.
    Sie hatte ihm von dem unheimlichen Eindringling erzählt. Was hatte er bezweckt? Welchen Grund hatte er gehabt, spät in der Nacht in Asburyhouse zu sein?
    ER!
    Regus!
    Ludwig trat ein und nahm den Kasten mit dem ausgesaugten Kaninchen. Wie immer hatte er eine Weile gewartet, um seinen Herrn nicht bei dessen grausiger Tätigkeit zu überraschen.
    »Danke, Ludwig«, murmelte Frederic.
    Der Butler nickte still. Er drehte sich um.
    »Einen Moment noch«, rief Frederic.
    »Ja, Sir?«
    »Welche dunklen Tage sah ich, welche Dezemberkahlheit überall?«, fragte er.
    »Also ist sie wieder da? Caroline? Immer, wenn Sie sie spüren, zitieren Sie aus Shakespeares Sonetten.«
    »Sie ist immer da, Ludwig. Seitdem ich ihr begegnete und seitdem ich sie verlor. Sie ist immer da.« Er tippte auf das Bild, das ihn und Caroline vor den Pyramiden zeigte.
    Ludwig fuhr sich über das schüttere Haar. »So ist es, Sir. Ihre Frau hatte ein liebreizendes Herz und ein tapferes Gemüt. Sie war eine wunderbare Lady. Nie werde ich mein erstes Gespräch mit ihr vergessen. Obwohl ich Sie, ihren Gatten, schon seit Jahren kannte, fürchtete sie sich nicht vor mir. Eifersucht war ihr fremd. Sie behandelte mich wie einen guten Freund.«
    »Sie wusste, dass du mir stets wie ein Vater gewesen bist, Ludwig«, fiel Frederic in eine vertrauliche Anrede.
    »Danke, Sir!«, nickte der alte Butler.
    »Sogar in den schlimmsten Zeiten hast du zu mir gestanden. Allemal, wenn Vollmond ist, musst du dich vor mir fürchten und doch ... bleibst du bei mir!«
    »Ich frage mich, warum Regus nicht auch mich zu einem der seinen macht. Das frage ich mich seit zwei Jahren«, murmelte Ludwig. Er stellte den Holzkasten mit

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