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Blutlied -1-

Blutlied -1-

Titel: Blutlied -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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dem toten Kaninchen auf den Kaminsims. »Warum nur Sie, Sir? Warum nur Sie?«
    »Ich wache für sie, für meine Caroline, wo sie danach wacht, weit weg von mir …«
    »Sie verändern schon wieder seine Sätze«, tadelte Ludwig. »Außerdem beantworten Sie meine Fragen nicht.«
    »Shakespeare hatte stets die richtigen Worte, er, der Erfinder des Menschen.«
    »Dann hat er auch Regus erfunden?«
    »Jago, Lady Macbeth, sogar Hamlet – ist Regus nicht in allen von ihnen? Vielleicht sogar auch ein bisschen in Falstaff?«
    Ludwig lächelte.
    »Spotte ruhig. Ich weiß, dass du dich über meine Leidenschaft für Shakespeare amüsierst. Warte nur, eines Tages werde ich ein Buch über Falstaff schreiben. Ich werde die Wahrheit berichten, damit alle Welt erfährt, wie er tatsächlich starb. Damit jedermann weiß, wer Heinrich der Vierte wirklich war.«
    »Sir, bei allem Respekt, aber ich glaube, Regus findet sich in keinem von Shakespeares Helden. Dieser Vampir ist kein Mensch. Ihn lediglich als einen Teil des Bösen anzusehen, der in jedem von uns schlummert, erscheint mir zu philosophisch und ein wenig ...«, er räusperte sich » ... entrückt!«
    »So warst du schon immer, Ludwig, seitdem du mich nach dem Tod meiner Eltern erzogen hast – ein Realist durch und durch. Aber sage mir: Bin nicht sogar ich ein märchenhafter Teil düsterer Phantasien? Ein romantischer Held des Dunklen? Ein tragischer Gott der Nacht?«
    »Zuallererst, Sir, sind Sie ein Mann, der von einem Wesen der Unterwelt vergewaltigt wurde. Daran ist nichts Romantisches. Sie sind ein Mann, dem das Schicksal die geliebte Frau nahm. Das ist nicht märchenhaft. Sie sind ein Verzweifelter, der in der Dämmerung lebt, einsam seit zwei Jahren. Das, Sir, ist die Wahrheit. Der Rest ist Traum ...«
    » ... oder Schweigen?«
    »Beginnender Wahnsinn, Sir! Aber wem ginge es nicht so?! Wer wollte tragen, was Sie tagtäglich auf sich nehmen müssen, was Sie verleugnen, obwohl es von Monat zu Monat schwerer fällt ...«
    »Verleugnen?«
    »Ja, Sir! Verleugnen, dass Sie einer von seiner Rasse sind, einer von denen – ein Vampir!«
    Frederic nickte düster. »Nein, Ludwig, ich verleugne es nicht. Aber ich möchte nicht sein, wie er es will. Ich will ihm nicht folgen. Ich weiß, was du meinst – irgendwann werde ich mich nicht mehr wehren können. Nicht mehr lange und auch ich werde mich vom Blut anderer Menschen ernähren. Nicht mehr lange und ich werde akzeptieren, was ich bin und mich meiner Natur beugen. Und letztmöglich wird das auch so sein. Aber nicht ...« Er musterte den Butler. » ...nicht, solange ich mich an Caroline erinnere, sie noch immer liebe. Sie ist der Anker, der mich auf der richtigen Seite hält. Sie ist die unsichtbare Kraft, die mich noch ein Rest Mensch sein lässt. Wegen ihr gelingt es mir, meine grausigen Gelüste zu kontrollieren. Sie ist es, die diesen Willen in mir freisetzt. Sie und das Leiden.«
    Ludwig schwieg.
    Frederic seufzte und streckte sich auf seinem Stuhl. Er verschränkte die Hände hinter den Kopf. »Spürst du es nicht?«
    »Was meinen Sie, mein Junge?«
    »Dass sie da ist? Dass sie über mich wacht?«
    Ludwig runzelte die Stirn. »Ich fürchte, ich spüre das nicht.«
    »Sie ist bei mir – ich weiß es. Sie hat mich nie wirklich verlassen. Halte mich ruhig für einen Wahnsinnigen. Da ist etwas zwischen mir und ihr – ein Band, das noch nicht vollständig zerrissen ist. Manchmal, wenn ich in völliger Stille hier sitze und denke ... wenn ich nur ich selbst bin, meine ich sie sogar zu ... hören.«
    Ludwig öffnete die Tür, den Holzkasten unter dem Arm. Seine Augen blitzten. Sein schmales hartes Gesicht war wie in Stein gemeißelt. »Irgendwann, Sir, werde ich Regus begegnen. Dann werde ich ihn töten! Das verspreche ich Ihnen. Ich werde ihn töten!«
    Die Tür schlug hinter ihm zu.
     
     
     

Zwei Jahre zuvor
     
     
    Caroline Asbury-Bailey wartete auf Frederic Densmore. Er müsste eigentlich schon eingetroffen sein. Die Uhr zeigte eine Viertelstunde nach neunzehn Uhr. Sie hatten sich in Asburyhouse zum gemeinsamen Dinner verabredet. Frederic würde in dieser Nacht unten in der Halle wachen.
    Endlich hörte sie Hufgetrappel, ein Verschlag knallte zu und der Türklopfer wurde betätigt.
    Caroline ging, die Tür zu öffnen. Sie war alleine. Die Dienerschaft durfte in dieser Woche noch nach Hause fahren, um zu packen. Ab dem nächsten Montag würden sie ins Gesindehaus ziehen und Caroline rund um die Uhr betreuen.
    Frederic

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