Savannah
1 - 1875
Das Mädchen, das Savannah in der Kutsche gegenübersaß und leise stöhnte, war noch sehr jung - höchstens siebzehn, aber vielleicht war sie sogar noch jünger. Unter anderen Umständen hätte man sie wohl als hübsch bezeichnen können. Sie hatte walnussfarbenes Haar und schöne große Augen, aber jetzt war sie nur schrecklich verängstigt, wirkte allein und verloren. Der dick geschwollene Bauch unter dem schlichten Leinenkleid schien jeden Moment platzen zu wollen und das Gesicht der jungen Frau war schmerzverzerrt, aber sie tat alles, um nicht laut loszuschreien.
Savannah stieß den dunkelhaarigen Mann an, der neben ihr auf der Bank saß. Der Mann war unrasiert und starrte angestrengt aus dem Fenster, als könnte er sich dadurch der qualvollen stickigen Enge der Kutsche entziehen, die springend über den Fahrweg rumpelte, denn von einer Straße konnte nicht die Rede sein. Der Mann war nicht älter als dreißig, aber wenn man ihm in die Augen schaute, hätte man glauben können, Methusalems älteren Bruder anzusehen. »Nun tun Sie doch was«, flüsterte Savannah ungeduldig. Man hatte ihr erzählt, dass der Mann irgendein Doktor war, aber Genaueres wusste sie auch nicht. Sie wusste nur, dass der Mann die meiste Zeit in verräucherten Kneipen am Spieltisch gesessen hatte, seit er vor knapp einer Woche in Choteau aufgetaucht war. Bei einem Würfelspiel hatte er sein Pferd verloren und Savannah sah es als böses Omen an, als dieser Mann plötzlich zu ihr in die Kutsche nach Springwater gestiegen war.
Er stank nach Whiskey und kaltem Rauch, sein Haar war fettig und strähnig und er sah so sorgenvoll aus, dass Savannah schon beinahe Mitleid für ihn empfand. Aber eben nur beinahe. Der Mann war seit Tagen unrasiert, er brauchte dringend ein Bad und frische Kleidung, wahrscheinlich auch endlich mal wieder etwas zu essen und ganz bestimmt brauchte er ein Bett, um sich richtig auszuschlafen.
Er hatte sich ihr gegenüber gesetzt und gedankenverloren geschwiegen, bis der Kutscher irgendwann unter wegs — in der sprichwörtlichen Mitte von Nichts - das Gespann zum Halten gebracht hatte, um die hochschwangere junge Frau mitzunehmen. Da hatte sich der Mann neben Savannah gesetzt, um dem neuen Fahrgast Platz zu machen. Immerhin hatte er sich dabei kurz verbeugt - was ein Zeichen dafür war, dass er noch ein Minimum an guten Manieren besaß.
Wieder stieß Savannah ihm in die Rippen, denn sie war es gewohnt, dass man ihren Anordnungen augenblicklich folgte. »Hören Sie schlecht oder wollen Sie mich nicht verstehen?«, flüsterte sie zischend, obwohl es natürlich illusorisch war, zu glauben, dass die junge Frau auf dem Sitz gegenüber ihre Worte nicht genau verstehen würde, denn der Platz in der Kutsche war so beengt, dass man es kaum vermeiden konnte, mit den Knien aneinander zu stoßen, wenn die Räder über einen dicken Stein holperten oder durch ein tiefes Loch rumpelten. »Das Kind braucht Ihre Hilfe!«
»Mit Schwangeren kenne ich mich nicht aus«, erwiderte er seufzend. Neben seinen Füßen stand ein abgeschabtes Arztköfferchen, das offensichtlich sein einziges Gepäckstück war - ein trauriger Beweis für seinen Berufsstand, denn seine Kleidung war so erbärmlich, dass es schon eine Schande war. Abgetragene Stiefel - aus Armeebeständen wahrscheinlich - eine dunkle Hose, die schon durchscheinend war, ein Leinenhemd, das früher mal weiß gewesen war, und Hosenträger aus schwarzem Leder. Wunderschöne Zähne hatte der Man n, stellte Savannah zu ihrer Verwunderung fest, und seine Gesichtszüge hatten etwas Aristokratisches. Die Kinnl in ie unter den Bartstoppeln war kräftig und sein Mund mit den sinnlichen Lippen war ausdrucksvoll und schön geformt.
»Mir ist es schnuppe, was für ein Arzt Sie sind«, gab Savannah scharf zurück. »Meinetwegen können Sie ein Pferde-Doktor sein.« Wieder stieß sie ihm in die Rippen - und diesmal etwas fester. Sie würde nicht länger zögern, ihren Derringer aus ihrer Handtasche zu ziehen, um den Mann notfalls mit Waffengewalt zu zwingen, seine Pflicht als Arzt zu tim. »Entweder Sie kümmern sich jetzt um das Mädchen oder Sie bekommen es mit mir zu tun.«
»Sie k ri egt ein Baby«, erklärte er, als wäre mit dieser simplen >Diagnose< alles gesagt und das Thema damit endgültig abgehakt.
Savannah hätte ihm am liebsten ihre Tasche mit dem Revolver um die Ohren gehauen, aber sie hielt sich zurück, da der Mann ja bei Bewusstsein bleiben musste, wenn er
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