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Blutlinie

Blutlinie

Titel: Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Jones
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sein. Wenigstens ein kleines bisschen.
    „Kann ich mir vorstellen, dass Mom dich gern einbindet. Du bist einfach viel zu gut für diese Welt.“
    „Wem sagst du das?“
    Theatralisch seufzte mein Vater auf. Ich hörte eine andere Stimme, die meiner Mutter. Sie richtete mir liebe Grüße aus und informierte ihn, dass das Essen fertig sei.
    „Virginia, ich soll dir…“
    „Hab schon gehört. Schöne Grüße zurück und guten Appetit!“, unterbrach ich ihn.
    „Gut, mein Schatz! Pass auf dich auf! Versprichst du das?“
    Er hörte sich urplötzlich beunruhigt an, das Lächeln war verschwunden.
    „Natürlich, Dad. Was ist denn?“
    Er zögerte.
    „Nichts, gar nichts. Wir lieben dich, Schatz. Und als Vater darf man sich doch Sorgen machen, oder?“
    Ich entspannte mich wieder.
    „Sicher. Mach’s gut! Ich liebe euch!“
    „Wir lieben dich auch!“
    Dann hatte er aufgelegt.
    Ich legte das schnurlose Telefon auf den Tisch und widmete mich wieder meinem Essen. Dabei dachte ich über meine Eltern nach, die ständig in Sorge um mich waren und mich jeden Tag anriefen. Ich fand es wirklich schön, dass sie immer für mich da waren, doch manchmal schnürte mir Angst die Kehle zu. So wie jetzt. Als würde ich von einer Vorahnung getrieben werden, dass etwas Schlimmes passierte. Doch konnte das sein? Schließlich war Einbildung auch eine Bildung, und die konnte sich so manifestieren, dass man es zuletzt selbst glaubte. So sorgenvoll waren sicher alle Eltern drauf, die etwas für ihre Kinder übrig hatten. Ich widmete mich wieder dem Essen, damit es nicht kalt wurde.
    Der Samstagnachmittag verlief bisher unspektakulär. Bei lauter Musik kümmerte ich mich um die Wäsche, putzte meine kleine Wohnung und bezahlte fällige Rechnungen über das Internet, die sowohl mein Zuhause als auch die Buchhandlung betrafen. Und wieder einmal war die Verwunderung groß, wie teuer der Strom geworden war und was man sonst noch so berappen musste. Ich kam zwar ganz gut aus, dennoch hätte ich mir gewünscht, in eine größere Wohnung umziehen zu können.
    Mein Wohnzimmer sah aus wie aus 1001 Nacht entsprungen. Neben den hellen Holzmöbeln und Regalen, in denen sich Unmengen von Büchern türmten, nannte ich zwei bunte Perlenvorhänge mein Eigen. Einer hang vor der Terrassentür, der andere vor der im Wohnzimmer. Ich liebte diesen Schnickschnack, und zusammen mit den weichen, flauschigen weinroten Teppichen und den farbenfrohen Bildern an der Wand, gaben sie für mich ein wahnsinnig aufmunterndes Bild ab. Ich wusste nicht, warum ich Farben so sehr liebte, aber eines konnte ich mit Sicherheit sagen: Sie hoben meine Stimmung, obwohl ich nicht mal ein großer Fan des Orients war. Mir gefielen einfach die Vielfalt und dieses Exotische. Außerdem sammelte ich Miniaturelefanten, die, wie ich gehört hatte, Glück brachten, wenn der Rüssel nach oben zeigte. Alle meine Modelle taten dies, außer ein Pinkfarbener, der seinen Rüssel traurig nach unten hängen ließ. Hatte ich etwa deshalb kein Glück? Dabei mochte ich diesen am liebsten.
    Gerade lief Lyeoka mit Simply Falling . Die Melodie war so unglaublich wie der Text, und auch die Stimme der Sängerin. Ich wusste nicht, wie oft ich ihn schon gehört hatte, besonders in Nächten, in denen ich viel nachdachte und mich manchmal in den Schlaf weinte.
    Grrrr…jetzt reiß dich mal zusammen! Das war mein anderes Ich, das mir immer wieder unmissverständlich klarmachte, wer an dieser Misere Schuld war…nämlich ich selbst.
    Es hatte durchaus Vorteile, in der obersten Etage zu wohnen. Niemand lief über einem herum und ließ aus Versehen etwas fallen, man hatte kaum Dreck auf der Treppe, weil schon unterwegs alles von den Schuhen abgefallen war und der Ausblick, den ich jeden Tag genießen durfte, entschädigte meine Lungen, die oft streikten, wenn ich mit den Einkaufstüten hier hoch gedackelt war. Die Terrasse war nicht besonders groß, doch passten im Sommer ein Tisch und Stuhl darauf, sodass ich an den lauen Abenden regelmäßig über einem Buch versank. Der Sonnenuntergang war jedes Mal beeindruckend. Dieser feuerrote Ball, der um die Sonne herum noch gelbe und orange Strahlen absonderte, die sich dann in feinen, ungleichmäßigen Linien aufteilten und dem ganzen Schauspiel etwas Unwirkliches gaben, faszinierte mich immer wieder aufs Neue.
    Ich blickte über die Stadt, über den dunkelbraunen, verwitterten Kirchturm, weiter zu den in rot und grau gedeckten Dächern und zu den Häuserschluchten.

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