Blutmagie
Stunde dort drin gewesen. Er hielt einen Stapel Papiere in der Hand, und Ivys Pulsschlag beschleunigte sich. Sie
saß schon viel zu lange hier rum und zermarterte sich den Kopf über Arts ungelöste Mordfälle. Der Mann hatte keinerlei Berechtigung, im Morddezernat zu arbeiten.Tot hieß nicht automatisch klug.
Außer die Klugheit liegt darin, uns so zu manipulieren, dass wir den Untoten unser Blut geben . Ivy zwang sich, weiterzuessen, und dachte darüber nach, dass die Untoten ihre lebenden Vampirverwandten eher aus Eifersucht ins Visier nahmen, und weniger, um das gute Verhältnis zu den Menschen zu bewahren, wie sie immer behaupteten. Da sie mit dem Vampirvirus in ihrem Genom geboren worden war, genoss Ivy einen Teil der Stärken der Untoten, ohne die Nachteile wie Lichtempfindlichkeit oder Schmerzen durch religiöse Symbole hinnehmen zu müssen. Auch wenn ihre Fähigkeiten nicht an die von Art herankamen, war sie doch stärker und konnte besser hören als jeder Mensch und ihr Geruchssinn war für die sanfteren Gerüche von Schweiß und Pheromonen sensibilisiert. Der Blutdurst der Untoten war bei ihr keine biologische Notwendigkeit, sondern mehr eine Blutlust, die ein unvergleichliches Hochgefühl auslöste, wenn sie gestillt wurde … und wenn sie mit Sex gemischt wurde, machte sie schnell abhängig.
Ivys Blick wanderte unfreiwillig zu Art, und er lächelte sie an, als würde er ihre Gedanken lesen. Er kam direkt auf sie zu und der Papierstapel in seiner Hand wirkte wie eine Absichtserklärung. Sie verlor den Appetit und wirbelte ihren Stuhl so herum, dass sie dem Raum den Rücken zuwandte. »Hey, Kist«, sagte sie und unterbrach damit seine Ausführungen über die schlechten Pilze, die Danny neulich gekauft hatte, »Planänderung. Wenn ich
mir den Papierstapel so anschaue, ist das einer von den Aufträgen, wo ich hinter Art herräume. Ich werde wohl nicht vor Sonnenaufgang nach Hause kommen.«
»Schon wieder?«
»Schon wieder?«, äffte sie ihn nach und spielte mit einem Stift herum, bis ihr aufging, dass das ihre Laune verriet. Sie legte ihn mit einem scharfen Knall auf den Tisch zurück. »Gott, Kisten. Bei dir klingt das so, als wäre es jede Nacht.«
Kisten seufzte. »Lass den Papierkram bis morgen liegen, Liebes. Ich weiß nicht, warum du dich so reinhängst. Du wirst nicht befördert werden, bevor Artie Smartie nicht von dir kosten durfte.«
»Meinst du?«, fragte sie. Ihr Gesicht wurde heiß und ihr verging endgültig der Appetit. Sie knallte den Teller auf ihren Schreibtisch und zwang sich, ruhig sitzen zu bleiben, obwohl sie am liebsten jemanden geschlagen hätte. Kampfsport-Meditation hatte sie bis jetzt vor Gerichtsterminen bewahrt; sie definierte sich hauptsächlich über ihre Selbstkontrolle.
»Du kanntest das System, als du den Job angenommen hast«, redete er ihr gut zu, und Ivy zog die Ärmel ihres engen schwarzen Pullovers von den Ellbogen zu den Handgelenken runter, um die Narben dort zu verbergen. Sie konnte fühlen, wie Art den Raum durchquerte, und Adrenalin sorgte dafür, dass ihr Magen sich zusammenzog. Es ist ein Auftrag , rechtfertigte sie sich, aber sie wusste, dass Art der Grund für das Kribbeln war, nicht die Chance, mal aus dem Büro rauszukommen.
»Warum, glaubst du, arbeite ich lieber mit Piscary als für die I.S.?«, sagte Kisten gerade,Worte, die sie schon viel zu oft gehört hatte. »Gib ihm, was er haben will. Mir ist es
egal.« Er lachte. »Zur Hölle, es wäre vielleicht sogar ganz nett, wenn du mal nach Hause kommst und einen Film schauen willst, statt mich auszusaugen.«
Sie griff nach ihrer Wasserflasche und leerte sie bis auf den letzten Tropfen, bevor sie sich den Mund abwischte. Sie hatte das System gekannt – zur Hölle, sie war darin aufgewachsen –, aber das hieß nicht, dass sie die Gesellschaft mochte, nach deren Regeln sie spielen musste. Sie hatte beobachtet, wie diese Regeln das Leben ihrer Mutter beendet hatten, beobachtete jetzt, wie sie ihren Vater aussaugten und ihn Stück für Stück umbrachten. Aber es war der einzige Weg, der ihr offenstand. Und sie war gut darin. Sehr gut. Und das machte ihr am meisten Sorgen.
Sie versteifte sich, als Art seine braunen Augen auf ihren Nacken richtete. Untote Vamps schauten sie so an, seit sie vierzehn geworden war; sie kannte das Gefühl. »Ich dachte, du wärst wegen der Dentalvorsorge bei Piscary geblieben«, sagte sie sarkastisch. »Seine Zähne in deinem Hals.«
»Ha, ha. Sehr witzig!« Kistens gute
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