Blutmale
bin bereit.« Dann wandte sie sich ab, um ihnen zu folgen, und die drei Dämonenjäger stiegen zusammen den Hügel hinunter.
Nachwort
Als Anthropologiestudentin an der Stanford University war ich fasziniert von den Mythen der Antike. Ich neige zu der Annahme, dass in diesen Geschichten, die uns aus unvordenklichen Zeiten überliefert wurden, immer ein Körnchen Wahrheit steckt. Im Lauf der Zeit mögen Einzelheiten verfälscht worden sein, aber selbst die unwahrscheinlichste Geschichte könnte sehr wohl auf realen Personen und Ereignissen basieren.
Als ich vor ein paar Jahren in Oxford in einem Buchladen stöberte, stieß ich auf eine Ausgabe von R. H. Charles' Übersetzung des Buches Henoch und konnte der Versuchung nicht widerstehen, es zu kaufen. Das Buch Henoch ist ein sehr alter Text, entstanden rund zwei Jahrhunderte vor Christi Geburt. Obgleich es die Geschichte eines der Patriarchen des Alten Testaments enthält, nämlich die von Noahs Urgroßvater Henoch, wurde es von den frühen Kirchenvätern als unecht verworfen und aus dem hebräischen Kanon gestrichen. Es verschwand aus den Annalen der Geschichte, und viele Jahr hunderte lang galt der Text als für immer verloren.
Doch er war nicht ganz verloren. Das Buch Henoch überlebte, versteckt an verschiedenen geheimen Orten. Im achtzehnten Jahrhundert wurden unversehrte Abschriften des Tex tes, übersetzt aus dem Griechischen, in Äthiopien gefunden. Und 1947 machte ein Beduinenhirte in einer Höhle am nordwestlichen Ufer des Toten Meeres eine großartige Entdeckung: Tonkrüge, in denen antike Schriftrollen steckten. In diesem Höhlenkomplex kamen sieben Fragmente des Buches Henoch zum Vorschein, verfasst in Aramäisch.
In diesen lange verloren geglaubten Schriften verbirgt sich ein Rätsel, das die Gelehrten noch immer nicht befriedigend gelöst haben. Es ist die Geschichte der Wächter, eines Geschlechts gefallener Engel, die mit Menschenfrauen verkehrten und eine unheilige Rasse hervorbrachten, welche die Mensch heit bis ans Ende der Zeiten plagen sollte:
Bö se Geister gingen aus ihrem Leibe hervor, weil sie von Menschen geschaffen wurden, und von den heiligen Wäch tern ihr Ursprung und erste Grundlage herrührt; böse Geis ter werden sie auf Erden sein und böse Geister genannt wer den.
Diese Mischwesen, auch als Nephilim bekannt, tauchen noch in einem anderen alten Text auf, dem Buch der Jubi läen. Auch hier werden sie als bösartig und heimtückisch geschildert. Laut Jubiläen wurden die meisten der Nephilim zur Zeit Noahs vernichtet, doch Gott ließ ein Zehntel von ih nen als Untertanen Satans überleben. Durch ihre Nachkommen würde das Böse die Erde weiterhin heimsuchen.
Engel und Frauen, aus deren Verbindung dämonische Zwitterwesen hervorgehen? Das ist allerdings eine fantastische Geschichte, und manche Bibelforscher neigen zu der durchaus vernünftigen Erklärung, dass es sich dabei schlicht um verbotene Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Stämme gehandelt haben könnte. Dass diese »Engel« Männer aus der vornehmen Nachkommenschaft des Seth waren und die Frauen einer viel unbedeutenderen Sippe angehörten, die auf Kain zurückging.
Dennoch, als Romanschriftstellerin konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren: Was, wenn die Geschichte der Wächter nicht bloß eine Allegorie, sondern historische Realität wäre? Was, wenn die Nephilim wirklich existierten, wenn ihre Nachfahren noch immer unter uns lebten, noch immer Unheil anrichteten?
In der Geschichte der Menschheit haben immer wieder gewisse Individuen Taten von so abscheulicher Grausamkeit verübt, dass man sich fragen muss, ob sie wirklich dem Menschengeschlecht angehörten oder nicht vielmehr einer gewalt tätigen Subspezies, getrieben von anderen Bedürf nissen, ande ren Instinkten. Glaubt man das, was im Buch Henoch und im Buch der Jubiläen überliefert ist, dann gibt es eine Erklärung für die Taten von real existierenden Monstern, von Massenmör dern wie Pol Pot oder Vlad dem Pfähler. Die Nephilim haben stets Seite an Seite mit uns existiert, unsichtbare Jäger, die sich inmitten ihrer Opfer bewegen. Und wenn sich die Gelegenheit ergibt, wenn in Zeiten des Krieges oder innerer Unruhen die gesellschaftliche Ordnung zusammenbricht, kommen diese Jäger aus ihren Verstecken, um ihr grausames Spiel zu treiben.
Dann erst erkennen wir, wer sie wirklich sind.
Es gibt keine einfache Erklärung für das Böse. Heute, über zweitausend Jahre nach der Niederschrift des Buches
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