Blutmaske
Befehlen des Sultans zu widersetzen, das weiß der Kadi.« Sie war verunsichert, da sie nicht wusste, wie sie mit ihm sprechen durfte – und ob überhaupt. Sie kannte niemanden aus der Stadt, der das jemals zuvor getan hatte.
Vier Soldaten betraten das Haus, und auf einen Wink des Janitscharen schwärmten sie aus und begannen ihre Durchsuchung. Er selbst ging an Jitka vorbei, würdigte sie aber keines Blickes, während das Mädchen ihn anstaunte und die Augen nicht mehr abwenden wollte. Sie hatte so viele Fragen! Besonders gefiel ihr der Dolch an seiner Seite, ein wundervolles und einmaliges Stück, dessen Griff aus Holz bestand, aber mit viel Silber beschlagen war. Die Motive und Muster schimmerten, goldene Beschläge aus Blumen und Ranken liefen um die Scheide, und selbst der Griff wies Zierrat auf. Er hatte nichts mit den schartigen, abgewetzten Messern gemein, welche die Männer des Dorfes für die tägliche Arbeit bei sich trugen. Den gezischten Befehl ihrer Mutter, bei ihr zu bleiben, hörte sie nicht einmal.
Jitka folgte den Männern, während sie die drei kleinen Kammern inspizierten, Schränke öffneten, hinter den großen Kesseln und Pfannen stöberten und sogar unter das Bett schauten. Dabei blieb sie stets auf Abstand, musterte jede Bewegung des Janitscharen, die Rüstung, die Verzierungen.
Die Soldaten aber schienen sie nur als Teil des Häuschens anzusehen. Wenn sie im Weg stand, wurde sie nicht unsanft, aber achtlos wie ein Möbelstück zur Seite geschoben.
Der Janitschar gab gelegentlich kurze Anweisungen auf Türkisch an seine Begleiter. Jitka sog den Geruch des Mannes ein, der sich aus etwas Schweiß, Eisen und viel feuchtem Tuch zusammensetzte; darunter war ein würziger, angenehmer Duft verborgen. Jitka fand ihn faszinierend: eine lebendig gewordene Sagengestalt, unmittelbar von einem Schlachtfeld zu ihnen gekommen!
Schließlich hielt der Janitschar inne und wandte sich langsam zu ihr um. »Was gibt es zu sehen?«
»Euch«, sagte Jitka, ohne an die Warnung ihrer Mutter zu denken. Obwohl sie einen kleinen Schritt vor dem Mann zurückwich, nahm sie innerlich bereits Anlauf, ihm eine von vielen Fragen zu stellen.
Plötzlich stand ihre Mutter hinter ihr, packte sie an den Schultern und zwang sie aus der Schlafkammer. Der Griff war schmerzhaft. »Warte draußen!«, befahl sie ungewohnt scharf, dann sah sie den Janitscharen an. »Ich kenne dich.« Sie trat näher an ihn heran. »Du bist Branco. Sie haben dich vor fünfzehn Jahren mitgenommen, wenn ich mich richtig erinnere.«
Das Gesicht des Mannes verfinsterte sich. »Ich habe dich gleich wiedererkannt, Janja, aber ich wusste nicht, ob es sich bei dir ebenso verhielt.« Er hakte die freie Hand in den Waffengurt, neben den Griff des Damaszenerstahldolches und verbarg seine Ablehnung nicht. Man sah ihm an, dass er nicht hier sein wollte. »Jetzt bin ich mit meinem Regiment zurückgekehrt. Es ist ungewohnt, die alte Sprache zu sprechen und Gesichter zu sehen, die ich vergessen glaubte. Die meisten von ihnen schauen nicht mehr wohlgesinnt drein.«
»Wundert dich das?« Janja wusste nicht, was gerade in sie fuhr, aber die Erkenntnis, dass der Janitschar einmal einer ihrer Spielkameraden gewesen war, ließ sie alle Vorsicht vergessen. »Die Abgaben, die Devshirme …«
»Abgaben muss man immer zahlen«, wischte er ihren Einwand beiseite, »und der Sultan benötigt Janitscharen für seine Armee. Aber es wird vermutlich keine Knabenlese geben, es ist einiges im Wandel.« Die hellen Augen studierten ihr Antlitz. »Du hast geheiratet?«
»Ja.«
»Wen?«
»Du kennst ihn. Radomir.«
Branco hob die Augenbrauen. »Es ist zwar lange her, dass ich hier gelebt habe, aber wenn
das
seine Tochter sein soll, frage ich mich doch, warum sie ihm gar nicht ähnlich sieht. Jedenfalls nicht dem jungen Radomir.«
»Das kommt vor.« Janja verfluchte sich dafür, dass sie ihre Vorsicht vergessen und ein Gespräch begonnen hatte. Der einstige Freund hatte den größten Makel ihrer Tochter auf den ersten Blick bemerkt. Warum konnte dieses Kind nur niemals gehorchen? Janja spürte, wie Jitka sich von hinten gegen ihren Rock drückte. »Wieso haben sie dich geschickt, um den Jungen zu suchen?«, versuchte sie den Janitscharen abzulenken.
»Ich sollte die Abgaben einsammeln.« Er verzog den Mund. »Dass ich stattdessen einen gewöhnlichen Dieb jagen muss, war nicht vorgesehen.« Branco rief einem der Männer etwas zu, und der Soldat stampfte laut und prüfend auf den
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