Blutmaske
nahm einen tiefen Zug von seinem fast abgebrannten Zigarillo. »Denk noch mal drüber nach: Wenn du jetzt gehst, kommst du zumindest lebend hier
raus.
Wie
weit
du kommst,
das
entscheiden wir noch.«
Kennen sie sich?
Sia schien es nicht so, doch sie musste zugestehen, dass der Blonde extrem gelassen blieb. Er schien sicher zu sein, nicht als Verlierer zu enden, obwohl alles danach aussah: vier Männer gegen zwei Pistolen, die augenscheinlich von einem Profi geführt wurden.
Der Lärm aus dem Verbrennungsofen war inzwischen verstummt. Der Eingesperrte hatte anscheinend aufgegeben oder war ohnmächtig geworden. Sie sah zum Thermometer. Der Zeiger näherte sich dem grünen Bereich. Lange würde der Nazi es nicht mehr darin unbeschadet aushalten.
Der Blonde formte grinsend einen Rauchkringel. »Ich habe dich gewarnt. Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anl…«
Der Maskierte schoss ansatzlos. Die Kugel fuhr dem Sprecher durchs rechte Auge und trat aus dem Hinterkopf aus, ließ Blut, Knochensplitter und Hirnmasse gegen die Luke spritzen.
Der Getroffene fiel nieder, der Zigarillo prallte auf den weißen Boden und verlor die Glut.
Ausgelöscht.
Sia starrte auf den Toten: Die Einschussstelle rauchte leicht, kleine graue Qualmschlieren stiegen aus dem zerstörten Schädel auf.
Was hat denn das zu bedeuten?
»Doch. Ich
habe
Ahnung«, sagte der Maskierte. »Nur, damit ihr versteht, dass ich Silber benutze. Jeder Schuss ein Treffer.«
»Silber?« Einer der Sachsen sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Er war noch sehr jung, vermutlich der Frischling unter ihnen. »Was bist’n du für eener? Hält’ste dich für …«, er wedelte mit den Armen, als könnte er damit das fehlende Wort einfangen, »… keene Ahnung. Irgendeenen … Geisterjäger?«
»Wenn überhaupt, ginge es mehr in Richtung Blade«, erwiderte der Maskierte. »Allerdings für eine andere Spezies.« Seine braunen Augen musterten den Sachsen, als wollten sie bis unter die Haut dringen und die Wahrheit erkennen. »Ich denke, du bist falsch hier.« Er nickte zur zweiten Tür, die nach hinten hinausführte. »Du kannst gehen, wenn du willst. Aber lass in Zukunft die Leute in Ruhe.«
Der Sachse starrte ihn fassungslos an. Und blieb.
Ich an seiner Stelle wäre gegangen.
Wieder geschah nichts – bis das Handy in der Tasche des Toten läutete. Dieses Mal jedoch war das Signal ein anderes.
Alle verharrten an ihren Plätzen.
Fünf Sekunden, zehn Sekunden, zwanzig Sekunden. Das Klingeln hörte wieder auf.
Ein dumpfes Scheppern erklang überraschend von hinter der Ofenluke. »Hey! Hey, Kameraden! Habt ihr den Typen erledigt?«, hörten sie den darin Gefangenen leise durch die dicke Tür. »Holt mich raus! Hier drinnen ist es heiß wie in der Hölle. Mir schmelzen die Sohlen weg!«
»Gutes Stichwort.« Der Maskierte bewegte sich nach links, ging zum Bedienelement. Mit dem Lauf der rechten Pistole betätigte er den Schalter und aktivierte die tödlichen Gasflammen. Hitze flutete die Kammer, der Zeiger des Thermometers tat einen Sprung in den roten Bereich. Die Temperaturen wurden auf mehrere hundert Grad gejagt.
Sie hörten den Mann darin kreischen und lauter hämmern. Anfangs …
Nach wenigen Atemzügen verebbten die Geräusche.
Okay, der Junge ist nicht nur gut, sondern auch reichlich gründlich.
»Jetzt weiß er wenigstens, was die Nazis früher mit ihren Opfern gemacht haben«, lautete der trockene Kommentar des Maskierten. »Learning by doing.« Sia glaubte zu erkennen, dass er unter der Sturmhaube grinste. Böse grinste. »Ich hätte noch ein paar Fragen, bevor die Kleine …«
Der junge Sachse warf seinen Kameraden einen Blick zu und schrie: »Was willst’n du, du Antifa-Arsch? Knall uns doch gleich ab!« Er breitete theatralisch die Arme aus und wies auf seine Brust. »Mach hinne!« Schritt für Schritt ging er auf ihn zu und verkürzte den Winkel des Schützen. Ein Trick. »Nu? Haste Schiss?«
»Bleib, wo du bist. Du gehörst nicht zu
ihnen!
« Der Maskierte wich ihm aus und schoss ihm ins Bein – dann überschlugen sich die Ereignisse.
Der Getroffene brüllte auf und stürzte auf die Fliesen; dieses Mal trat kein Rauch aus dem Einschussloch.
Gleichzeitig verwandelten sich die beiden, die hinter ihm standen, und sprangen auseinander, um schwerere Ziele zu bieten. Innerhalb von wenigen Sekunden spross braungraues Fell aus ihrer Haut, die Köpfe verformten sich. Mischwesen entstanden, halb Mensch, halb Bestie. Der Geruch nach
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