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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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den Erdbeerfel- dern durch den Himmel schwimmen. Das ständige Donnern der Flugzeuge ließ mich zusammenfahren.
    Das absolut Beste dieser kleinen Wunder passierte eines Tages, als ich gerade von einem Giftmordtatort kam. Ich würde jedem und jeder sagen — meistens sind es Frauen, die sich umbringen wollen — daß sie doch bitte keinen Abflußreiniger, Laugen oder andere säurehaltige Mittel nehmen. Ich möchte sagen, daß Sie so einen schrecklichen, langwierigen und qualvollen Tod finden. Ihr Zellgewebe wird reißen, wo immer es Ihnen weh tut. Sie werden sich die Nägel herunterreißen. Sie werden sich die eigenen Lippen ausreißen, sich in die Hose machen und schwarzes und grünes Zeug erbrechen. Ich sage das nur, um den Kontrast herzustellen zu dem, was ich um zehn Uhr und was ich um fünf Uhr an einem Herbsttag sah.
    Am Nachmittag war der Himmel tieforange und darüber lilablau. Auf der 405 gab es damals noch einen Grünstreifen, der breit genug war, um sechs Autos nebeneinander wie bei einer Polizeiblockade zu parken. Der Verkehr auf beiden Seiten wurde langsam. Ich war mit Raymond zum Abendessen in Dana Point verabredet und wollte nicht zu spät kommen. Das mußte ein Unfall sein, dachte ich. In einer Biegung sah ich, wo der Verkehr stockte. Die Autos daneben fuhren gerade wieder schneller. Keine Unfallwagen standen in der Kurve, man sah auch keine Warndreiecke. Jetzt war ich an der Reihe, daran vorbeizufahren und zu glotzen. Vor mir stand ein blauer Reiher, mit langgezogenem stattlichen Hals und nur einem offenen Auge, das auf die Autofahrer gerichtet war. Er war entweder ruhig oder verängstigt, ich konnte nicht sagen, was. Mit langsamen Bewegungen hob er ein Bein, als ob er einen Schritt nach vorne machen wolle, aber er tat es nicht. Was war das für ein Ding, dieses 1,20 Meter hohe Tier mit einem anklagenden Auge, dessen groteske schwarze Federn von oben nach hinten gingen und eine langsame Kaskade von Metallteilen zum Kriechen brachte?
    Als mein Auto fast auf seiner Höhe war, brach die Sonne ein letztes Mal durch den Himmel und über die Hügel an der Küste, wie ein Laserstrahl, der auf das Tier fiel. Es breitete seine Flügel aus, hob seinen Kopf und seinen gelben Schnabel und zog seinen Kopf zum Flug wieder ein. An diesem Abend, nach der Verabredung mit Raymond, als ich von dem Pacific Coast Highway durch Laguna Beach fuhr, hielt ich bei einem Buchladen an und kaufte mir mein erstes Vogelbuch. Mein Herz erfreute sich an diesem kurzen Augenblick und die schrecklichen morgendlichen Eindrücke verwischten. Ich erinnerte mich lange an das Abendessen mit Raymond, und ich feierte den Moment, da Menschen, mit welchem Hintergrund auch immer, in welcher Verfassung auch immer, sei es Dringlichkeit oder Trübheit, sich für Momente aus ihrem Leben und der Zeit und der Korruption entfernten, um einen Reiher zu ehren. Dahin muß die Menschheit wieder zurückkehren. Zu dem Reiher und zu den Menschen, die wegen ihm anhalten.
     
    Ich bin wieder auf dem Weg zu Raymond. Wieder zum Abendessen. Yolanda ist an der Ostküste. Ray rief sie an, um ihr zu sagen, daß er mit mir zu Abend esse, so als ob er sagen wolle: Siehst du, ich mache nichts schlimmes. Ich werde Raymond heute sagen, daß, wenn sich Yolanda immer noch Sorgen wegen unserer Freundschaft macht, ich mich nicht mehr mit ihm treffen werde. Er wird protestieren, und ich werde hart bleiben. Manche Dinge muß man eben für andere aufgeben. Joe Sanders versteht meine Freundschaft mit Raymond. Falls er besorgt oder eifersüchtig ist, dann habe ich es zumindest noch nicht bemerkt. Aber ich tue das für Raymond genauso wie für Yolanda.
    Ein Therapeut würde sagen, daß ich in einer Selbstbestra- fungsphase bin, aber ich glaube das nicht. Ich denke nicht, daß ich freigestellt sein sollte, und ich war sogar am Montagmittag wieder im Labor. Nach dem Vorfall in Nevada hatten mich Stu Hollings und der Sheriff persönlich ins Hauptquartier bestellt. Das war eine wichtige Angelegenheit, zum Sheriff zu gehen, ihm in seinem Büro gegenüber zu sitzen, sich seinen grauen Nadelstreifenanzug, sein blaßgelbes Hemd und seine graugelbe Blumenkrawatte mit der Onyxkrawattennadel anzusehen. Wir sehen ihn selten, meistens auf Zeitungsfotos. Ich weiß nicht, wie er seine Tage verbringt. Seine Nächte verbringt er mit Politikern und reichen Leuten aus Newport. So stellen wir uns das zumindest vor. Was sollte das alles? Ich hatte genug Arbeit. Mir ging es gut. Ich mußte mit dem Typen

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