Blutschwestern
Axtkämpfer in eine andere. Da noch immer einzelne Stämme eintrafen,
hatte sie bald zwei Gruppen von Bogenkämpfern und vier Gruppen von Schwert- und Axtkämpfern. So ergab sich ein Heer von über
zweitausend Männern. Tojar ließ sie gewähren, und als Ilana jeder Gruppe eine eigene Farbe zuteilte, damit jeder wusste, zu
wem er gehörte, wies er die Frauen an, farbige Armbinden für die Männer zu nähen, wofür sie fast ihre gesamten Vorräte an
Stoffen aufbrauchen mussten. Schließlich trugen die Gruppen der Bogenschützen ein helles und ein dunkleres Grün, und die vier
anderen Gruppen erhielten gelbe, schwarze, rote und blaue Armbinden. Nachdem auf diese Weise endlich Ordnung in das neu aufgestellte
Heer gekommen war, wurden an den Zelten der einzelnen Gruppen ebenfalls farbige Tücher befestigt.
»Ein großes Heer muss ernährt werden! Wir sind zu viele hier auf einem Haufen, und im Gebirge gibt es nichts zu essen. Wir
müssen bald jagen«, teilte ihr Tojar nach ein paar Tagen mit, als Ilana damit beschäftigt war, die Männer für das Tragen der
Wegzehrung und der Zelte einzuteilen. »Wann willst du aufbrechen? Ein Heer muss in Bewegung gehalten werden, sonst wird es
unmutig. Die Männer sind gekommen, um zu kämpfen.«
Ilana fuhr sich über die Stirn und ließ dann schnell die Hand sinken, denn sie wollte vor Tojar nicht zeigen, dass sie müde
und gereizt war und Hilfe bei der Planung hätte brauchen können.
»In zwei Tagen brechen wir auf«, stellte sie deshalb klar und betete |160| zu Sala, dass sie bis dahin die Einteilungen geschafft hatte und nicht noch alles in einem unübersichtlichen Wirrwarr enden
würde.
Tojar nickte. »Gut! Ich hoffe, du hast einen guten Plan erdacht, wie Dungun zu stürmen ist.«
»Das habe ich«, log sie, denn sie hatte keinerlei Ahnung, was sie tun sollte, wenn sie vor den Toren Dunguns standen. Sie
war noch nie in Dungun gewesen und besaß keinerlei Kenntnisse von der Stadt und von Karoks Heeresstärke. Bisher war ihr königliches
Amt ein rein zeremonielles gewesen; auch weil sie viel zu lange damit gewartet hatte, sich mit der Kriegsplanung zu beschäftigen.
Viel zu fest hatte sie daran geglaubt, dass Akari niemals gegen sie kämpfen würde. Mittlerweile ärgerte Ilana sich über ihre
eigene Dummheit und wünschte sich, sie hätte sich besser vorbereitet. Trotz dieser Sorgen wagte sie es nicht, Tojar zu sagen,
dass sie keine Ahnung hatte, was sie tun sollte, wenn sie vor den Toren Dunguns stand. Doch bis dahin, so redete sie sich
ein, würde ihr sicherlich etwas einfallen. Auf keinen Fall würde sie Tojar die Genugtuung geben zu versagen.
|161| Eine mächtige Zauberin
Nona spürte, wie langsam wieder etwas mehr Leben in ihre Glieder kam. Die Kälte des Taligebirges hatte nicht zu ihrem Wohlbefinden
beigetragen. Obwohl Dawon sie schnell und sicher über die Gebirgszüge trug, hatte sie erbärmlich gefroren. Immer wieder wurde
ihr Geist in ein gähnendes schwarzes Loch gerissen, in dem er drohte, sich zu verlieren. Nona schaffte es mit reiner Willenskraft,
sich vom schwarzen Sog zu befreien, doch ihr Kampf brachte sie ans Ende ihrer Kräfte. Zu allem Überfluss ergriff dieser Zustand
nun nicht mehr nur im Schlaf Besitz von ihr. Es konnte auch sein, dass sie sich verlor, während sie wach war. Dies alles ängstigte
und peinigte sie; zudem fiel es ihr immer schwerer, sich dagegen zu wehren.
Dann, als die weißen Gebirgszüge endeten und sich grüne endlose Wiesen unter ihr erstreckten, ging es Nona etwas besser. Dawon
hatte sie ganze drei Tage lang getragen und sie nachts, wenn sie schliefen, in seinen Armen gehalten. Mittlerweile war sein
warmer Körper das einzige trostspendende Gefühl, das sie noch zu empfinden in der Lage war. Je mehr das Kind sie zu beherrschen
schien, desto mehr verlor Nona das Gefühl für die Wirklichkeit.
Am dritten Tag ihrer Reise setzte Dawon sie schließlich im Gras ab, und Nona tat ein paar unsichere Schritte. Die Wiesen waren
so saftig und grün wie kaum irgendwo, die Luft war angefüllt mit einem Hauch von Blütenduft. Ein lauer und erfrischender Wind
wehte ihr ins Gesicht. Sie blinzelte Dawon müde an. »Ist dies das Wiesenland?«
Er nickte. »Dawon wurde hier geboren. Er erinnert sich an den |162| Duft der Wiesen und Blüten, mehr als an das Gesicht seiner Mutter.«
»Wo sind die Lalu-Frauen? Kannst du sie sehen?«
Er wies auf einen Punkt am Horizont, wo er irgendetwas zu
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