Blutspur des Todes
sich als aufrechte Stütze der Gesellschaft ausgab und bei einer Sauerei erwischt wurde.
»Ich hoffe nur, dass nichts fehlt.« Sie blickte auf und sah Detective Pakula vor sich stehen.
»Danke, dass Sie gekommen sind.«
Er nickte, und sie kannte ihn gut genug, um es dabei bewenden zu lassen. Er mochte es nicht, wenn man viel Aufhebens um etwas machte, das er für selbstverständlich hielt.
»Ich habe einen Zeugen gefunden, der vielleicht bereit ist, gegen Richey auszusagen.«
»Vielleicht?«
»Es braucht noch etwas Überzeugungsarbeit. Er will nicht aussagen, wenn die Möglichkeit besteht, dass Richey freigesprochen wird.«
»Es wird in dieser Sache keinen Freispruch geben«, erwiderte sie und schob die letzten Bündel in die Tasche. Sie wusste, worauf Pakula hinauswollte und mochte es nicht hören.
»Sie wissen es, und ich weiß es, und das versuche ich ihm klar zu machen.« Er sah sich um und vergewisserte sich, dass niemand in Hörweite war. »Um unsere GlaubWürdigkeit steht es momentan nicht gerade gut, solange dieser Mistkerl von Barnett in jeder verdammten Talkshow auftritt und behauptet, das Omaha Police Department hätte ihn reingelegt.«
»Lassen Sie den nur reden. Früher oder später macht er einen Fehler, und dann nagele ich ihn fest. Aber dann für immer.«
»Verlassen Sie sich auf mich, wenn es so weit ist.«
Grace wusste, dass Barnetts Freispruch in dem Wiederaufnahmeverfahren Pakula ebenso an die Nieren gegangen war wie ihr. Während der vergangenen Monate war sie den Fall immer wieder durchgegangen, um weiteres Belastungsmaterial zu finden, doch vergeblich. Vor fünf Jahren hatte sie alles darangesetzt, um Barnett hinter Gitter zu bringen. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass er die siebzehnjährige Rebecca Moore an jenem kalten Winternachmittag mit dem Angebot, sie trocken nach Hause zu bringen, in seinen Wagen gelockt hatte. Er war mit ihr an einen abgelegenen Ort gefahren, hatte sie vergewaltigt und dann mit einem Messer auf sie eingestochen. Anschließend hatte er ihr in den Kopf geschossen durch den Kiefer, um die Identifizierung seines Opfers zu verhindern.
Rebecca Moore war wahrscheinlich nicht das einzige Mädchen, das Barnett auf dem Gewissen hatte. Vier weitere Frauen waren auf dieselbe bestialische Art und Weise umgebracht worden, jeweils im Abstand von zwei Jahren.
Grace und Pakula waren davon überzeugt, dass in allen Fällen Barnett der Mörder war. Aber außer Indizien hatten sie nichts gegen ihn in der Hand gehabt. Nur in Rebecca Moores Fall konnten sie eine Verbindung zwischen Opfer und Täter herstellen. Mit Danny Ramerez hatten sie einen Augenzeugen, der gesehen hatte, wie das Mädchen am Nachmittag ihres Verschwindens in einen schwarzen Pick-up gestiegen war.
Und er konnte bestätigen, dass Jared Barnett am Steuer gesessen hatte. Seine Aussage war überzeugend gewesen und seine Beschreibung Barnetts so genau, dass für die Geschworenen keinerlei Zweifel bestanden. Doch dann, fünf Jahre später, hatte Danny Ramerez plötzlich behauptet, er sei an jenem Nachmittag nicht einmal vor der Tür gewesen gewesen. Ohne seine belastende Aussage war Barnett frei. So einfach ging das.
Grace sah hinüber zum Tisch der Verteidigung. Penn und Richey versuchten gerade, sich durch den Pulk von Menschen einen Weg zum Ausgang zu bahnen.
Und dann entdeckte sie ihn.
Jared Barnett stand in der hinteren Reihe und wartete scheinbar geduldig darauf, ebenfalls den Saal verlassen zu können. Er wirkte völlig unauffällig, ganz wie ein gewöhnlicher Zuschauer.
»Wenn man vom Teufel spricht«, sagte sie zu Pakula, der Barnett nun ebenfalls bemerkt hatte.
»Dieser Mistkerl«, raunte er. »Ich habe ihn letzte Woche schon mal draußen im Treppenhaus gesehen. Er kann es wohl nicht lassen, sich hier rumzutreiben, was?«
Auch Grace hatte ihn bereits in der vergangenen Woche gesehen, sogar zweimal. Zuerst in dem Cafe auf der anderen Straßenseite gegenüber des Gerichtsgebäudes. Und dann noch einmal, als sie gerade ihre Wäsche in die Reinigung brachte.
Sie hatte versucht sich einzureden, das sei eben Jared Barnetts Art, ihnen allen eine Nase zu drehen, und dass er es nicht etwa auf sie abgesehen habe. Doch bevor Barnett durch die Tür verschwand, drehte er sich noch einmal zu Grace um und grinste.
2. Kapitel
19.30 Uhr
Logan Hotel
Jared Barnett lauschte auf ein Geräusch, doch in dem Schacht hinter der Tür blieb es still. Wo zum Teufel blieb der verdammte Fahrstuhl bloß?
Darauf
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