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Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Titel: Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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10. Oktober
    FLEET STREET – LONDON
    Zed Benjamin war noch nie ins Zimmer des Chefredakteurs gerufen worden, und er fand die Erfahrung zugleich beunruhigend und aufregend. Weil ihm nicht wohl bei der ganzen Sache war, schwitzte er unter den Achseln. Und vor lauter Aufregung hatte er solch ein Herzklopfen, dass er es bis in die Daumenspitzen spüren konnte. Aber da er mit der Einstellung angetreten war, Rodney Aronson als ganz normalen Kollegen bei der Source zu betrachten, führte er das Schwitzen und die pulsierenden Daumen darauf zurück, dass er seinen einzigen Sommeranzug zu früh gegen seinen einzigen Winteranzug ausgetauscht hatte. Er nahm sich vor, am nächsten Morgen wieder den Sommeranzug anzuziehen – falls seine Mutter ihn nicht schon in die Reinigung gebracht hatte, was er nicht hoffte. Obwohl es zu ihr passen würde, dachte Zed. Seine Mutter war hilfsbereit und zuverlässig. Und zwar beides eine Spur zu sehr.
    Er suchte nach einer Ablenkung, die in Rodney Aronsons Zimmer leicht zu finden war. Während der Chefredakteur Zeds Story las, überflog Zed die Schlagzeilen der alten Ausgaben der Boulevardzeitung, die gerahmt an den Wänden hingen. Er fand sie geschmacklos und idiotisch, die Storys appellierten an die niedersten menschlichen Instinkte. CALLBOY BRICHT SCHWEIGEN zum Beispiel handelte vom Stelldichein eines Parlamentsabgeordneten mit einem Sechzehnjährigen in einem Auto in der Nähe der King’s Cross Station, das durch das Eintreffen von zwei Polizisten vom Sittendezernat jäh unterbrochen worden war. Der Artikel daneben war betitelt mit PARLAMENTSABGEORDNETER : FLOTTERDREIER MIT TEENAGER, und der nächste trug die Überschrift EHEFRAU DES ABGEORDNETEN VERÜBT SELBSTMORD . Für die Source waren diese Storys ein voller Erfolg gewesen, ihre Reporter waren als Erste vor Ort gewesen, sie hatten die Nachricht als Erste gebracht, und sie hatten als Erste Informanten für schlüpfrige Einzelheiten bezahlt, um einen Vorfall aufzupeppen, den jede seriöse Zeitung entweder diskret behandelt oder versteckt auf der letzten Seite gebracht hätte – oder beides. Das galt vor allem für solche heißen Themen wie: PRINZ RANDALIERT IM SCHLAFZIMMER , STALLMEISTER PLAUDERT – PALAST SCHOCKIERT und SCHON WIEDER EINE KÖNIGLICHE SCHEIDUNG ? Sensationsgeschichten, so viel hatte Zed in Gesprächen in der Kantine mitbekommen, hatten dem Blatt eine Mehrauflage von über hunderttausend beschert. Dafür war die Zeitung bekannt. Und jedem in der Redaktion war klar: Wer sich nicht die Hände schmutzig machen und in der schmutzigen Wäsche anderer Leute wühlen wollte, der sollte besser nicht als Journalist bei der Source anfangen.
    Aber genau das war Zedekiah Benjamins Problem: Es widerstrebte ihm zutiefst, als Enthüllungsjournalist bei der Source zu arbeiten. In seinen Augen war er eher der Typ, der zur Financial Times passte, mit ausreichend Status und Renommee, womit er seine wahre Leidenschaft hätte finanzieren können, nämlich Gedichte zu schreiben. Aber Stellen für Kolumnisten bei seriösen Blättern waren so selten wie die Blaue Mauritius, und mit irgendetwas musste man schließlich seine Brötchen verdienen, wenn das mit Poesie nicht machbar war. Zed wusste also, dass es sich für ihn geziemte, sich so zu verhalten, als sähe er seine berufliche Erfüllung als Journalist darin, die Fehltritte von Berühmtheiten und die kleinen Sünden der Royals zu enthüllen. Dennoch war er der Meinung, dass selbst ein Blatt wie die Source davon profitieren konnte, hin und wieder ein klein wenig aus dem Sumpf der Menschenverachtung emporgehoben zu werden.
    Der Artikel, den Rodney Aronson gerade las, war ein gutes Beispiel dafür. In Zeds Augen musste eine Story in einer Boulevardzeitung nicht notwendigerweise vor schlüpfrigen Details strotzen. Okay, sie käme vielleicht nicht auf die Titelseite, sondern war eher etwas für die Sonntagsbeilage, wobei ein doppelseitiger Mittelteil in der täglichen Ausgabe auch nicht übel wäre, Hauptsache, es gab Fotos und einen Verweis auf die Fortsetzung auf der nächsten Seite. Zed hatte ewig an dieser Story gearbeitet, und sie enthielt alles, was Source -Lesern gefiel, allerdings mit mehr Stil: Die Sünden der Väter und ihrer Söhne wurden ausgebreitet, zerrüttete Beziehungen wurden erforscht, Drogen- und Alkoholmissbrauch sorgten für Würze, und schließlich gab es sogar ein Happy End. Es war die Geschichte eines Prassers, dem es in – mehr oder weniger – allerletzter Minute

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