Bob, der Streuner
Nase hielt, der nur das geringste Interesse zeigte.
»Ein kluges Kerlchen!«, lächelte meine Mutter, als sie sein Bild sah. »Oh ja, das ist er!«, grinste ich stolz. »Ich weiß nicht, was ohne Bob aus mir geworden wäre.«
Die Auszeit in Australien tat mir richtig gut. Ich konnte in Ruhe meine Gedanken ordnen und Bilanz ziehen. Was hatte ich bisher erreicht und wie sollte es weitergehen? Ein Teil von mir sehnte sich danach, ganz hierher zurückzukommen. Hier lebte meine Familie. Ich hätte hier mehr Rückhalt, ein kleines, aber wertvolles Netzwerk von Vertrauten. Einen Schatz, den ich erst jetzt zu würdigen wusste und der mir in London schmerzlich fehlen würde. Aber Bob wäre ohne mich verloren, genau wie ich ohne ihn. Und so verwarf ich den Gedanken an eine Rückkehr nach Australien schnell wieder. Bei Anbruch der sechsten Woche auf Tasmanien dachte ich nur noch an den Rückflug nach England.
Diesmal verabschiedete ich mich richtig von meiner Mutter. Sie kam mit zum Flughafen und winkte mir nach, als ich durch die Kontrolle zu meinem Flug nach Melbourne verschwand. Dort wollte ich noch ein paar Tage mit meinem Patenonkel und seiner Frau verbringen. In meiner Jugend war ich oft bei ihnen zu Besuch gewesen, und sie waren mir sehr wichtig. Früher waren sie die Eigentümer der größten privaten Telefongesellschaft Australiens gewesen, die erste Firma in Australien, die Mobiltelefone verkaufte. Sie waren damals sehr vermögend gewesen. Als Junge war ich immer ganz wild darauf gewesen, sie in ihrer Riesenvilla in Melbourne besuchen zu dürfen. Als ich mit meiner Mutter gar nicht mehr klar kam, durfte ich sogar eine Weile bei ihnen wohnen.
Auf meine kleine Lebensbeichte reagierten die beiden ähnlich schockiert wie meine Mutter. Sie boten mir finanzielle Hilfe an und wollten mich bei der Arbeitssuche in Australien unterstützen. Aber ich lehnte dankend ab und erzählte von meiner Verpflichtung namens Bob in England.
Meine Rückflüge waren viel angenehmer als meine Anreise. Ich fühlte mich besser, fitter und gesünder, und so sah ich auch aus. Diesmal fiel ich weder den Zollbeamten noch den Einwanderungsbehörden unangenehm auf. Ich war so ausgeruht und entspannt durch meine Zeit in Australien, dass ich fast die gesamte Flugzeit durchschlief.
Ich konnte es nicht mehr abwarten, Bob wiederzusehen. Gleichzeitig plagten mich Ängste, er könnte sich verändert oder mich gar vergessen haben.
Diese Sorge hätte ich mir sparen können. Kaum hatte ich Belles Wohnung betreten, sprang er vom Sofa und rannte mit steil aufgerichtetem Schwanz auf mich zu. Natürlich hatte ich ihm etwas mitgebracht, darunter auch zwei kleine ausgestopfte Kängurus. Während ich Belle von Australien erzählte, spielte er bereits hingebungsvoll mit einem der kleinen Beuteltiere.
Als wir am Abend in unser eigenes kleines Reich zurückkehrten, kletterte er sofort hoch auf meinen Arm, schmiegte sich in meine Nackenbeuge und machte es sich wie immer auf meiner Schulter bequem. In diesem Moment war meine Reise nach Australien mit all ihren Annehmlichkeiten vergessen. Die zwei Musketiere waren wieder zusammen. Bob und ich gegen den Rest der Welt – als wäre ich nie weg gewesen.
19
Der Stationsvorsteher
D er Urlaub in Australien hatte mir wirklich gutgetan. Meine Familie, allen voran meine Mutter, hatte mir neue Kraft gegeben. Ich fühlte mich so stark und selbstsicher wie seit Jahren nicht mehr. Aber meine gute Laune war noch besser, seit Bob wieder bei mir war. Er hat mir sehr gefehlt in Tasmanien. Nur mit ihm war ich rundum glücklich.
Schnell hatte uns der Alltag wieder. Wir waren unzertrennlich und teilten Freud und Leid. Bob hatte auch nach drei gemeinsamen Jahren immer noch die eine oder andere Überraschung für mich parat.
In Australien redete ich dauernd von Bob und erzählte jedem, was für ein kluger Kater er doch war. Bestimmt haben mich manche Leute deswegen für verrückt gehalten. »Eine Katze kann nicht so schlau sein«, wird sich so mancher gedacht haben. Doch etwa zwei Wochen nach meiner Rückkehr musste ich feststellen, dass ich ihn noch unter Wert angepriesen hatte.
Es war schon immer eine lästige Pflicht, Bob zur Erledigung seiner tierischen Geschäftchen nach draußen zu lassen; schließlich wohnten wir im fünften Stock. Das Kistchen in der Wohnung lehnte er nach wie vor kategorisch ab. Mehrere Säcke voll mit hochwertigem Katzenstreu stapelten sich in einem Schrank und staubten traurig vor sich hin – seit
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