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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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vorgeschlagen, nur weil Julija Michajlowna darauf bestanden und sich damit durchgesetzt hatte. Gewisse Beschwerden und Anfragen sollten systematisch unbeantwortet bleiben. Dies alles kam später ans Licht. Lembke unterschrieb nicht nur alles, sondern stellte sich nie die Frage nach dem Ausmaß der Mitbestimmung seiner Gattin bei der Erfüllung seiner Amtspflichten. Dafür aber begehrte er von Zeit zu Zeit plötzlich auf, wegen »absoluter Lappalien«, und setzte Julija Michajlowna damit in Erstaunen. Verständlicherweise versuchte er, sich nach tagelangem Gehorsam durch minutenlange Revolten schadlos zu halten. Leider blieb diese edle Subtilität eines edlen Charakters Julija Michajlowna trotz ihres ganzen Scharfsinns unbegreiflich. Hélas! Sie hatte anderes zu tun, und daher rührten viele Mißverständnisse.
    Es steht mir nicht zu, und mir fehlt auch die Gabe, über gewisse Dinge zu berichten. Ebensowenig über Fehler der Administration, zumal ich ohnehin diesen ganzen administrativen Aspekt beiseite lasse. Als ich die Chronik begann, habe ich mir ganz andere Aufgaben gestellt. Außerdem wird die jetzt für unser Gouvernement ernannte Untersuchungskommission manches ans Licht bringen, man braucht also nur ein bißchen zu warten. Einige Erläuterungen jedoch sind unerläßlich.
    Aber ich kehre zu Julija Michajlowna zurück. Die arme Dame (ich bedaure sie aufrichtig) hätte alles, was sie in den Bann schlug und verlockte (Ruhm etc.), auch ohne derart heftige und exzentrische Manöver, die sie bei uns vom allerersten Tag an durchführte, erreichen können. Aber sie fühlte sich plötzlich, sei es aus einem Übermaß an Poesie, sei es infolge der langen trostlosen Enttäuschungen ihrer ersten Jugend, jetzt, nachdem sich ihr Schicksal gewendet hatte, irgendwie besonders berufen, beinahe als eine Gesalbte, über deren Haupt » das Feuer züngelt «, und gerade diese »feurige Zunge« war der Ursprung allen Übels; denn immerhin ist sie kein Haarteil, das auf jeden Frauenkopf paßt. Aber nichts ist so schwer, wie eine Frau von dieser Wahrheit zu überzeugen; im Gegenteil, nur wenn jemand ihr nach dem Munde redet, kann er seines Erfolgs sicher sein, und man hatte ihr um die Wette nach dem Munde geredet. Die Ärmste wurde auf einmal zum Spielball der unterschiedlichsten Einflüsse, bildete sich aber gleichzeitig ein, uneingeschränkt originell zu sein. Manch ein Meister hat sein Schäfchen ins Trockene gebracht und ihre Harmlosigkeit während ihres kurzen Gastspiels als Gouverneursgattin weidlich ausgenutzt. Und welch ein buntes Allerlei brachte dieser Schein von Selbständigkeit hervor! Ihr gefielen der Großgrundbesitz und das aristokratische Element und die Vergrößerung der Macht des Gouverneurs und das demokratische Element und die neuen Institutionen und die Ordnung und die Freidenkerei und die hübschen sozialen Ideen und der strenge Ton des aristokratischen Salons und die schon beinahe kneipenhafte Ungezwungenheit der sie umgebenden jungen Menschen. Sie träumte davon, zu beglücken und das Unversöhnliche zu versöhnen, vielmehr alle und alles in der Anbetung ihrer eigenen Person zu vereinigen. Sie hatte auch ihre Favoriten: Pjotr Stepanowitsch, der sich, unter anderem, auf die ganz plumpe Schmeichelei verlegt hatte, gefiel ihr über die Maßen. Aber er gefiel ihr noch aus einem anderen Grunde, einem höchst absonderlichen und für die bedauernswerte Dame höchst charakteristischen: Sie hoffte unentwegt, daß er sie in eine komplette Verschwörung gegen den Staat einweihen würde! Man kann es sich kaum vorstellen, aber so war es. Aus irgendeinem Grunde glaubte sie, in diesem Gouvernement werde unbedingt eine Verschwörung gegen den Staat vorbereitet. Pjotr Stepanowitsch bestärkte sie in ihrer ausgefallenen Idee, indem er sich bei mancher Gelegenheit ausschwieg und bei einer anderen in Anspielungen erging. Sie aber bildete sich ein, er stehe mit allem, was an revolutionären Ansätzen in Rußland zu finden war, in Verbindung, sei aber gleichzeitig ihr bis zur Anbetung ergeben. Die Aufdeckung der Verschwörung, die Dankbarkeit Petersburgs, die sich eröffnende Karriere, die Beeinflussung der Jugend durch »Sympathie«, um sie am Rande des Abgrunds aufzuhalten – das alles vertrug sich ohne weiteres nebeneinander in ihrem phantastischen Kopf. Sie hatte doch Pjotr Stepanowitsch gerettet, sie hatte ihn doch gezähmt (davon war sie aus unerfindlichen Gründen fest überzeugt), also wird sie auch die anderen retten.

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