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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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sein. Auf jeden Fall, ob ich nun der Besiegte bin oder Sieger bleibe, ich schnüre noch am selben Abend mein Bündel, das Bündel eines Bettlers, lasse alle meine Habseligkeiten, alle Ihre Geschenke, alle Pensionen und Versprechen künftiger Wohltaten zurück und ziehe zu Fuß von dannen, um mein Leben als Hauslehrer bei einem Kaufmann zu beschließen oder irgendwo an einem Zaun Hungers zu sterben. Ich habe gesprochen. Alea iacta est !«
    Und er wollte wieder aufstehen.
    »Ich war schon immer überzeugt«, auch Warwara Petrowna erhob sich mit funkelnden Augen, »ich war schon jahrelang überzeugt, daß Sie nur dafür leben, um zu guter Letzt mich und mein Haus zu verleumden! Was wollen Sie eigentlich damit sagen, mit Ihrer Hauslehrerstelle bei einem Kaufmann oder dem Hungertod an einem Zaun? Bosheit, Verleumdung und nichts sonst!«
    »Sie haben mich immer verachtet; aber ich werde als Ritter enden, treu meiner Dame, denn Ihre Meinung war mir immer kostbarer als alles andere. Von dieser Minute an nehme ich nichts mehr an, sondern verehre uneigennützig.«
    »Wie dumm!«
    »Sie haben mich nie geachtet. Ich mag eine Unmenge Schwächen gezeigt haben. Es stimmt, ich habe bei Ihnen schmarotzt. Ich benutze jetzt die Sprache des Nihilismus; aber das Schmarotzen war nie höchstes Prinzip meines Handelns. Es geschah einfach so, von selbst, ich weiß nicht, wie … Ich glaubte immer, daß zwischen uns etwas Höheres bliebe als das Essen, und nie, nie bin ich niederträchtig gewesen! Also, auf denn, und das Geschehene gutgemacht! Auf den Weg, es wird spät, draußen ist Spätherbst, Nebel liegt über den Feldern, eisiger, greiser Rauhreif bedeckt meinen künftigen Weg, und der Wind heult das Lied vom nahen Grab … Aber auf denn, auf den Weg, auf den neuen Weg:
    Seinem lieben Traume blieb er
    Treu mit gläubig festem Mut …
    Oh, lebt wohl, meine Träume! Zwanzig Jahre! Alea iacta est.«
    Sein Gesicht war naß von plötzlich hervorbrechenden Tränen; er nahm seinen Hut.
    »Ich verstehe kein Latein«, sagte Warwara Petrowna, die sich mit letzter Kraft beherrschte.
    Wer weiß, vielleicht wäre auch sie am liebsten in Tränen ausgebrochen, aber Entrüstung und Laune gewannen noch einmal die Oberhand.
    »Ich weiß nur eines, und zwar, daß all das nur Spielerei ist. Sie werden nie imstande sein, Ihre egoistischen Drohungen wahr zu machen. Sie werden nirgends hingehen, zu gar keinem Kaufmann, sondern in aller Seelenruhe Ihr Leben unter meiner Obhut beschließen, Ihre Pension einstreichen und Ihre unmöglichen Freunde dienstags um sich scharen. Leben Sie wohl, Stepan Trofimowitsch.«
    »Alea iacta est«, sagte er mit einer tiefen Verbeugung und kehrte halbtot vor Aufregung nach Hause zurück.

Sechstes Kapitel
    Pjotr Stepanowitsch ist geschäftig
    I
    DER Tag für die Festlichkeit war nun endgültig bestimmt, aber Herr von Lembke wurde immer trauriger und nachdenklicher. Sonderbare und unglückverheißende Ahnungen erfüllten ihn, und dies beunruhigte Julija Michajlowna über die Maßen. Zugegeben, manches ließ zu wünschen übrig. Unser früherer weichherziger Gouverneur hatte die Verwaltung nicht gerade im besten Zustand hinterlassen; gegenwärtig war eine Choleraepidemie im Anzuge; in einigen Gegenden wütete eine heftige Viehseuche; den ganzen Sommer hindurch hatten Städte und Dörfer unter Feuersbrünsten zu leiden gehabt, und im Volk hatte das alberne Gerücht von Brandstiftung immer fester Wurzeln geschlagen. Die Zahl der räuberischen Überfälle war im Vergleich zu den früheren Jahren auf das Doppelte gestiegen, aber all das wäre selbstverständlich nicht mehr als alltäglich gewesen, wenn nicht noch andere, gewichtigere Gründe hinzugekommen wären, die die Seelenruhe des bis jetzt so glücklichen Andrej Antonowitsch empfindlich störten.
    Er wurde von Tag zu Tag schweigsamer und, eine merkwürdige Sache, auch verschlossener, und das war es, was Julija Michajlowna am meisten betroffen machte. Was sollte er denn, wie sie glaubte, zu verbergen haben? Freilich, er hatte ihr selten widersprochen und sich meistens in alles gefügt. Auf ihr Drängen waren zum Beispiel zwei oder drei Maßnahmen durchgeführt worden, die außerordentlich riskant und um ein Haar gesetzwidrig waren, aber die Macht des Gouverneurs stärken sollten. Zu demselben Zweck wurde in einigen Fällen eine verhängnisvolle Nachsicht geübt; zum Beispiel wurden Menschen, die einen Prozeß und Sibirien verdient gehabt hätten, zu einer Auszeichnung

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