Böse Sterne
Sie müssten sich tarnen.
Bitte sehr, macht ja nichts. Drehen Sie sich nur bis in alle Ewigkeit um Ihr pflegebedürftiges Ego. Die Welt braucht Singles
wie Sie! Braucht einsame suchende Herzen zum Füllen der Single-Bars und der Single-Reiseclubs und der Single-Annoncen und
der spezialisierten Agenturen. In der Seniorenresidenz ist auch schon ein hübsches Einzelzimmer für Sie reserviert.
Bis dahin springt sicher noch der eine oder andere One-Night-Stand heraus. Jeder wird sich als Ausrutscher erweisen. Doch
auch auf solche Weise kommen Kinder zustande. Ganze Familien werden so gegründet. Aus Versehen. Es gehört nun mal untrennbar
zu Ihrem Leben, dass alles irgendwie aus Versehen passiert. Und dass Sie sich anschließend wundern, wie es dazu kommen konnte,
gehört auch dazu.
Bitte wundern Sie sich weiter! Wer Sie kennt, für den gibt es immer viel zu lachen und weiterzuerzählen. Sie |115| denken: Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich irgendwie nie dazu. Und zerdrücken ein paar sensible Tränen. Na, vielleicht
klappt es in der nächsten Inkarnation? Ganz bestimmt! Bis dahin bleiben Sie aber schön weiter auf der Suche, ja? Wir finden
es so herrlich, Sie dabei zu beobachten!
So schaffen Sie den beruflichen Abstieg
Dort, wo am Himmel angeblich das Bild des Schützen zu sehen ist, erkannten bereits die Sterndeuter der Antike etwas ganz anderes:
einen Vogel mit krummem Schnabel und schlappen Flügeln. Und wenn Sie heute in klarer Nacht nach oben schauen, sehen Sie diesen
Vogel ebenfalls. Es ist Ihr Wappenvogel, das Wappentier des Schützen: der Pleitegeier.
Die zweitgrößte amerikanische Fondsgesellschaft hat kürzlich verfügt, dass angestellte Schützen niemals über die Position
des mittleren Managements hinaus aufsteigen dürfen. Auch nicht bei scheinbar besten Leistungen. Sie halten das für bösartige
Diskriminierung? Wir auch. Doch die Bilanzen erlauben keinen Zweifel: Schützen sind unübertroffene Meister darin, eine profitable
Anlagefirma in den Bankrott zu treiben oder ein gesundes Unternehmen an die Wand zu fahren.
Warum eigentlich? Weil Schützen einerseits bezaubernd und liebenswert sind. So wie Sie. Heiter, lebhaft, charmant. Weil sie
zugleich jedoch unbescheiden, selbstgerecht und scheinheilig sind. Auch genau wie |116| Sie. Kommen Sie, wir sind unter uns: Sind Sie jemals in der Lage, einen Fehler einzugestehen? Ja? Nein, niemals. Sie tun allenfalls
mal so. Sind Sie fähig, sich selbst zu korrigieren? Sind Sie nicht. Unmöglich. Können Sie einen Rat annehmen? Absurde Vorstellung.
Alle anderen sollen ja Ihren Rat annehmen. Sie halten sich für unfehlbar. Und das war schon immer der sicherste Weg in den
Ruin.
Aber lässt man Sie überhaupt ran? Nachdem Sie so viele Ausbildungen begonnen und bald wieder abgebrochen haben? Wie oft haben
Sie eigentlich das Studienfach, den Lehrer, das Ziel gewechselt? Am Anfang blüht immer Ihr Enthusiasmus. Doch Ihr Durchhaltevermögen
ist denkbar gering. Wir sagen es nicht weiter, aber andere haben es auch schon gemerkt: Sie sind nicht belastbar. Bekommen
Sie mit Ihrem bröseligen Lebenslauf überhaupt einen Job? Doch, überraschenderweise. Man stellt Sie ein, besonders in entlegenen
Gegenden, wo niemand Sie kennt. Sie reisen ja gern. Und Ihre muntere Art zu reden muss auf den ersten Blick eine gewisse
Überzeugungskraft haben. Dass es sich um die Munterkeit einer Spielernatur handelt, ist nicht allen auf Anhieb klar.
Nicht mal Ihnen selbst ist das klar. Nur dass Sie nicht mit Geld umgehen können, das haben Sie allmählich selbst geschnallt.
Oder vielmehr: dass sich das Geld auf magische Weise verflüchtigt. Das wundert Sie nicht mehr. Das scheint so zu sein auf
der Welt. Mit Ihnen |117| selbst kann es absolut nichts zu tun haben. Ach! Ihre schwergeprüften Eltern wissen: Bereits als Kind kamen Sie keine drei
Tage mit dem Taschengeld aus. Und jetzt überraschen Sie Ihren Arbeitgeber oder Mäzen, indem Sie kurz nach der Gehaltsüberweisung
um einen Vorschuss bitten. Es hat wieder mal nur eine Woche gereicht.
Wer Ihnen Geld leiht, dem muss klar sein, dass er es verschenkt. Was machen Sie eigentlich damit? Nun, Sie spielen. Sie wetten.
Sie ersteigern Dinge, die Sie witzig finden, mit denen Sie aber eigentlich nichts anfangen können. Sie füllen Lottoscheine
aus, natürlich nach einem ausgeklügelten System. Sie pokern. Wenn Sie Roulette spielen, führen Sie eine Statistik, wie oft
das
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