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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Carter
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nichts.« Dann beugte ich mich nach vorne, so dass mein Gesicht um Haaresbreite die magische Grenze berührte. »Ziemlich beschissen, wenn man immer die Wahrheit sagen muss, nicht wahr?«
    Fon Pyre murmelte etwas vor sich hin, das ich nur zur Hälfte verstand.
    »Ich verbiete dir, so über meine Mutter zu sprechen«, erklärte ich scharf. »Und zieh nicht so eine Fratze. Dir wird gefallen, was ich heute mit dir besprechen möchte. Sobald du aufgegessen hast, sage ich dir, worum es geht.«
    Fon Pyre warf mir einen bitterbösen Blick zu, ehe er herzhaft in den Donut biss. Anscheinend hatte er tatsächlich geglaubt, ich würde ihm die Wir-sind-Freunde-Nummer abkaufen. Er denkt eben nur, er würde mich kennen.
    Im Gegensatz zu mir. Denn ich kenne ihn ziemlich gut. Zumindest weiß ich, dass ich ihm nicht vertrauen darf. Fon Pyre kann charmant, witzig und manchmal sogar niedlich sein, aber er wird mich niemals so weit bringen, dass ich vergesse, mit wem ich es hier zu tun habe.
    »Okay, ich bin fertig für meine Großaufnahme«, sagte Fon Pyre, nachdem er den Donut verputzt hatte. »Was für einen Schwachsinn hat deine Jugendgruppe dir dieses Mal eintrichtern wollen?«
    »Es ging um die Sünde Onans«, erklärte ich ihm.
    Fon Pyre sah mich einen Augenblick lang an. Dann ließ er sich nach hinten fallen und lachte.
    »Hör auf«, sagte ich. »Es ist mein Ernst.«
    »Ich weiß«, meinte Fon Pyre. »Deshalb ist es ja so lustig.«
    Ich rang mir ein Lächeln ab. Er hatte recht, das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Komik.
    »Nimmst du eigentlich beide Hände dazu?«, fragte Fon Pyre noch immer schmunzelnd. »Oder bist du eher der Zwei-Finger-und-Daumen-Typ?«
    »Ich möchte nur wissen, ob es eine Sünde ist«, erwiderte ich. »Sei so nett und sag der Kamera, ob Gott damit ein Problem hat, wenn ein Mensch … du weißt schon.«
    »Sich einen fummelt?«, schlug er vor und brach erneut in schallendes Gelächter aus. »Seinen ganz privaten Joystick bedient? Eine Runde Taschenbillard spielt?«
    »War’s das?«, fragte ich leicht genervt.
    »Noch lange nicht«, antwortete Fon Pyre. »Ich hätte da noch einige auf Lager.«
    »Behalt sie für dich, okay?«, sagte ich, obwohl ich zugeben musste, dass der Vergleich mit dem Joystick nicht schlecht war. »Ich befehle dir, dir keine weiteren Umschreibungen einfallen zu lassen. Sag mir einfach, ob es eine Sünde ist oder nicht.«
    »Natürlich nicht!«, rief er. »Was deinen Zuschauern aber auch längst klar sein müsste.«
    Er hatte nicht ganz unrecht. Im Laufe unserer letzten Sitzungen hatte er, wenn auch unfreiwillig, mit sogenannten Sünden aufgeräumt. Das erste Mal hatte ich ihn heraufbeschworen, als ich noch damit zu kämpfen hatte, schwul zu sein. Ich hatte wissen wollen, wie es um mich bestellt war. Ob Gott Homosexuelle hasste. Eine Frage, die Fon Pyre eindeutig verneint hatte.
    »Gott ist es einerlei, wen du küsst«, hatte er gesagt, und das hatte mir gereicht. Das war außerdem der Moment, in dem mir die Idee gekommen war, ihn zu filmen und einen Dokumentarfilm aus seinen Antworten zu machen. Dadurch sollte die Welt endlich die Wahrheit über Falsch und Richtig, Gut und Böse erfahren und erkennen, was für ein Wesen Gott eigentlich war.
    Als Erstes filmte ich Fon Pyres Aussage, dass es keine Religion gibt, die allwissend ist. Für mich war das nicht sonderlich schockierend, sondern vielmehr eine Bestätigung dessen, was ich bereits seit längerem ahnte. In späteren Sitzungen erklärte er, dass Gott auch nichts gegen Verhütung hat, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind und dass es weder ein Armageddon noch ein Jüngstes Gericht geben wird; dass gegen ein wenig Magie nichts einzuwenden ist, solange man weiß, was man tut; und dass Der Goldene Kompass tatsächlich ein ganz spannendes Buch ist.
    »Den Film dazu kannst du dir allerdings getrost sparen«, hatte Fon Pyre mich informiert. »Der ist was fürs Schlaflabor.«
    Angesichts der bisherigen Enthüllungen war die Antwort auf meine heutige Frage also keine große Überraschung. Trotzdem: Nach der Art und Weise, wie mich die anderen Gemeindemitglieder im Keller angestiert hatten, tat es gut, eine Bestätigung zu erhalten.
    »Sieh es mal so«, sagte ich. »Wenn ich dich nicht gefragt hätte, was hätten wir beide dann heute mit unserer Zeit angefangen?«
    »Ich hätte mit meinen Freunden gechillt«, ließ Fon Pyre mich wissen. »Etwas, das für dich wohl kaum in Betracht kommt, oder?«
    »Was soll das denn heißen?«,

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