Boeser Traum
beschäftigt, alles wegzuräumen, die Segel einzupacken. Charlotta klopft mit einem Topf gegen die Scheibe. Sie sieht, dass die Frau die Lippen die ganze Zeit bewegt. Wahrscheinlich haben sie Musik an und sie singt fröhlich mit. Charlotta macht das Licht an und aus, an und aus. Doch durch das schmale Fenster dringt das kaum nach drauÃen. Wie kann sie sich nur bemerkbar machen? Sie braucht mehr Licht. Genau: Sie braucht ein Feuer. Sie hatte gesehen, dass in der kleinen Schublade auch Streichhölzer lagen.
Doch wenn sie jetzt ein Feuer macht und sie dann doch keiner bemerkt ⦠Oder die Tür von auÃen nicht aufgeht. Wird sie dann mit dem Schiff untergehen und in der Kajüte ertrinken? Es ist riskant. Absolut riskant.
Noch nie in ihrem ganzen Leben war sie so verzweifelt.
Um sich selber täte es ihr nicht leid. Aber sie denkt an ihren kleinen Bruder, der dann ganz alleine auf der Welt wäre.
Sie erinnert sich, wie sie am Morgen auf dem Boot aufgewacht ist und nicht wusste, wie sie hierhin gekommen ist. Natürlich. Julius wird ihr was gegeben haben. Irgendein Schlafmittel. Das wird er ihr auch geben, ehe er sie in den Bus verfrachtet. Sie wird keine Chance zum Weglaufen bekommen. Sie muss jetzt handeln. Für Niklas. Für sich selbst. Und für Emilia â¦
Der Gedanke ist noch nicht zuende gedacht, da reiÃt sie schon ein Buch aus einem Regal, fetzt vorne eine Seite raus , sucht in fiebernder Hast etwas zu schreiben, findet einen Kuli und konzentriert sich. In GroÃbuchstaben schreibt sie: JULIUS VERGIFTET EMILIA . 01715353451. Das ist die Handynummer von Dagmar. Sie kennt sie auswendig, weil Emilia meist von deren Telefon anruft. Ist einfach billiger.
AnschlieÃend reiÃt Charlotta weitere Seiten aus dem Buch und knüllt sie zusammen. Sie stapelt die Papierbälle in einem Topf. Das erste Streichholz bricht ab. Ihre Finger zittern. Mit dem zweiten schafft sie es, das Papier anzuzünden. Es brennt schnell. Sie hält mit der einen Hand den Topf hoch. Mit der anderen drückt sie den Zettel an die Scheibe. Sie achtet darauf, dass der Zettel nicht auch Feuer fängt. Sie achtet nicht auf den kleinen hässlichen Vorhang vor dem Fenster. Innerhalb von Sekunden hat auch er Feuer gefangen. Und dann das Regal.
Als es anfängt, verkohlt zu riechen, und Qualm aufsteigt, reagiert das junge Paar auf dem neu eingetroffenen Segelschiff sofort. Ein Blick zum Fenster und schon springt der Mann mit einem groÃen Satz an Bord der brennenden Jacht, reiÃt die Kiste weg, die von auÃen vor die Tür gestellt ist. Er rennt zurück auf sein Boot, wühlt zwischen dem Werkzeug, kommt mit einem langen Schraubenzieher zurück. Als er die Tür am Scharnier aufgehebelt hat, ist Charlotta schon vom Qualm bewusstlos. Seine Frau hat das Handy gezückt. Sie hat die Polizei und die Feuerwehr alarmiert. Und dann hat sie die Nummer von dem Zettel gewählt. Ihr ist sonnenklar, dass diese Nachricht sehr, sehr wichtig sein muss.
Dagmar kann nicht glauben, was ihr diese Fremde mit schnellen Worten am Telefon erzählt. Sie unterdrückt einen Schrei und legt auf. Michael und Sophie gucken sie erschrocken an. Hektisch tippt sie die Nummer vom Krankenhaus, zerrt Michael und Sophie gleichzeitig zum Auto â¦
Als Julius sich in das Zimmer schleicht, fühlt er sich mächtig. Er spürt die Tabletten in der Hand. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Alles läuft nach Plan. Schon am nächsten Morgen wird er mit seinem Mädchen auf der Reise in ein neues Leben sein. Er ist ganz kurz vor Emilias Bett, hat die Hand mit den Pillen schon aus der Hosentasche gezogen, als das Licht angeht.
»Was hast du da?«, fragt die Ãrztin mit schneidender Stimme. Doch als er versucht, sich die Pillen selber in den Mund zu stecken, sind zwei andere Ãrzte, die im Hintergrund gewartet haben, sofort bei ihm und schlagen sie ihm aus der Hand. Als die Polizei ihn abführt, schaut er sich noch einmal nach Emilia um.
Hoffentlich passt die jetzt gut auf sein Mädchen auf. Auf seine Lotta â¦
Auf dem Weg nach drauÃen achtet er nicht auf den jungen Mann, der auf die Intensivstation schleicht. Er ahnt auch nicht, dass dieser Mats seine â Juliusâ â Beschützerrolle übernehmen wird.
E N D E
Drei Jahre später â¦
D er Zug Richtung Paris ist noch nicht ganz losgefahren, als Emilia sich im Sitz vorbeugt: »Damit das klar ist, ich schlafe bei
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