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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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Tod?«, fragt sie ganz ruhig.
    Â»Ich wäre froh, wenn ich an ein Leben vor dem Tod glauben könnte«, antwortet er spontan.
    Â»Sie wollten noch so viel machen. So viele Reisen. Meine Ma war eigentlich ein guter Typ. Sie hat das nur oft vergessen. Früher war sie richtig witzig. Und so energiegeladen. In letzter Zeit war sie oft so genervt. Ich glaube fast, ich habe ihr Leben kaputt gemacht.«
    Sie lacht trocken.
    Â»Klar, ich habe es eh kaputt gemacht. Aber ich meine schon vorher. Sie hätte mich besser nicht gekriegt. Dann hätte sie ein paar ihrer Träume noch leben können.«
    Julius tut es fast körperlich weh, Lotta so leiden zu sehen.
    Jetzt wendet Charlotta sich um, wundert sich kurz über seine Glatze, sagt aber nichts. Nur: »Wie geht es Em?«
    Â»Wir müssen warten«, weicht er aus.
    Â»Ich habe hier übrigens was für dich«, lenkt er ab. Er hält ihr die drei Tabletten hin.
    Â»Was ist das? Wofür soll das gut sein?«
    Â»Durch die Mangelernährung hat dein Organismus sehr gelitten. Das sind Aufbaupräparate. Nimm sie. Es wird dir besser gehen.«
    Sie guckt ihn traurig an. »Besser gehen? Im allerbesten Fall werde ich einige Momente erleben, in denen ich nicht tot sein möchte. Ist das besser?«
    Julius guckt auf die Uhr. »Nimm sie.«
    Sie merkt gar nicht, dass sein Ton härter geworden ist. Sie schluckt sie runter. Ohne Wasser. Würgt sie einfach runter. Sie hat kein Mitleid mehr mit sich.
    Â»Ich muss jetzt los. Ich komme morgen früh wieder«, sagt er schon auf dem Weg zur Treppe.
    Sie hebt nur die Hand, hat sich schon wieder dem Fenster zugewandt. Sie träumt sich hinaus. Aus sich selbst hinaus.
    Schon ein paar Hundert Meter vor der Klinik schaltet Julius runter. Er zwingt sich, ruhiger zu atmen. Er muss gleich ganz unauffällig da hineinmarschieren. Selbstverständlich, nebenbei. Fast unsichtbar. Es ist kurz nach zwei. Eine sehr gute Zeit. Die Nachtschicht ist in der toten Phase. Von zehn bis zwölf gibt es immer noch einiges zu tun. Bis ein Uhr wird es dann ruhiger. Dann kommt die große Müdigkeit. Schon ab vier Uhr morgens läuft der Betrieb wieder an. Ehe die nächste Schicht kommt, muss so viel gemacht werden. Die drei Stunden zwischen eins und vier sind die blaue Stunde im Krankenhaus.
    Er nimmt die Treppe. Möchte nicht durch das »Pling« des Fahrstuhls angekündigt werden. Auf der dritten Etage angekommen, lässt er die Tür zum Treppenhaus ganz sacht ins Schloss fallen. Das Licht überall ist gedämmt. Er schleicht zum Zimmer 372. Das ist am weitesten vom Schwesternzimmer entfernt. Er öffnet die Tür und atmet auf. Gott sei Dank ist es belegt. Er kann unter der Bettdecke ein kleines Kind mit blonden Haaren ausmachen. Er sieht ein riesiges Schaf als Kuscheltier. Schnell drückt er auf den Rufknopf und ist schon wieder raus. Sein Glück: Die Kinderstation erstreckt sich über zwei Gänge. In der Mitte zwischen den Gängen liegen Schwestern- und Behandlungszimmer. Ganz leise nimmt er den hinteren Gang dorthin. Er hört auf der anderen Seite die quietschenden Gummisohlen der Dienst habenden Schwester. Er geht so schnell er lautlos gehen kann. Im Behandlungszimmer öffnet er die Tür zum Medizinschrank. Dort, wo die »Smarties« – so werden die Beruhigungsmittel vor den Kindern genannt – standen, stehen jetzt Nasentropfen. Er kann es nicht glauben. Die Smarties standen immer hier. Er wird richtig wütend, hört fast nicht, dass sich die quietschenden Schuhe wieder nähern. Erst in letzter Sekunde verlässt er den Raum. Er hastet bis zur nächsten Ecke, bleibt dort stehen. So ein Mist. So ein verdammter Dreckmist. Und jetzt?

Auf den Lippen
    D urch kontrollierte Bauchatmung versucht er wieder ruhig zu werden. Julius streicht sich über den kahlen Kopf, fühlt sich fremd. Er strengt sich an, um sich nicht zu fragen, was er hier tut. Er hört, wie die Schwester etwas in den Computer tippt. Wahrscheinlich den komischen Fehlalarm von gerade. Danach herrscht wieder Ruhe. In Zeitlupentempo schleicht er zum Treppenhaus. In der Hosentasche fühlt er nach den vier Beruhigungspillen. Ob die reichen? Auf der Neurochirurgie herrscht auch Ruhe. Er hört gedämpftes Schnarchen, irgendwo piept eine Maschin e. Er erreicht Emilias Bett, ohne gesehen zu werden. Schlafend liegt sie vor ihm. Der Kopf ist leicht zur Seite gekippt. Die Lippen sind

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