Böses Blut
blieb stehen und wechselte einige Worte mit dem sichtlich nervösen Zollpersonal, bevor er sich den übrigen vieren in der Ankunftshalle anschloß. Er stellte sich ans Ende einer gewundenen Schlange vor dem Wechselschalter, mit gutem Überblick über die ganze Halle. Der Rest der Gruppe ging weiter in Richtung Paßkontrolle, bis Hjelm zurückblieb und sich dabei ertappte, wie er auf ein stillstehendes Gepäcktransportband glotzte. Selten hat wohl ein Polizist so sehr nach Polizist ausgesehen, und je mehr er sich anstrengte, nicht wie ein Polizist auszusehen, desto typischer wirkte er. Als er das Blaulicht auf der Kopfhaut kreisen fühlte, gab er das Spiel verloren, und sofort gelang es ihm besser. Er setzte sich auf eine Bank und blätterte in einer Broschüre, deren Inhalt ihm bis an sein Lebensende unbekannt bleiben würde.
An der Paßkontrolle wurden die Kollegen von einem höheren Beamten in Empfang genommen, der Norlander und Holm in je einen Paßabfertigungsschalter schleuste, wo sie auf einem unbequemen Schemel hinter dem Paßbeamten landeten. Ihre Anwesenheit konnte von draußen nur mit größter Mühe bemerkt werden, und falls das der Fall sein sollte, würde sie dennoch nicht ganz abwegig erscheinen. Sie lehnten sich in Erwartung des Ansturms noch einmal zurück.
Dann war nur noch einer übrig. Arto Söderstedt drängte sich durch die Paßkontrolle und lief auf der Rolltreppe Slalom zwischen zerstreuten Nachzüglern hinauf in die Transithalle. Er brauchte die Monitore nicht zu konsultieren, um das richtige Gate zu identifizieren. Eine Ansammlung wie gewöhnlich leicht erkennbarer Herren brachte es fertig, nachhaltig vor dem Gate Nummer 10 zu sitzen und Polizei zu blinken. Söderstedt sammelte die Märsta–Kollegen zusammen und wies ihnen ihre Positionen an. Ein kurzer Rundblick ließ erkennen, daß die Toiletten die einzig wirklich abgetrennten Nebenräume waren. Er setzte pro Toilette einen Polizisten an und sorgte dafür, daß alle Personalräume und ähnliches ordentlich verrammelt wurden. Blieben noch die Tax–free–Läden, Bars und Cafes. Er bekam einen Polizisten namens Adolfsson zu fassen, dem das Kunststück gelang, an der Bar vollkommen deplaziert auszusehen.
Die Transithalle war noch verhältnismäßig menschenleer. Söderstedt nahm vor Gate 10 Platz und wartete. Verstreute Nachzügler von früheren Flügen schlenderten umher.
Eine geringfügige Veränderung des Zustands der Dinge veranlaßte Arto Söderstedt, den widerwärtigen kleinen Ohrhörer in den Gehörgang zu pfriemeln; er hatte immer das Gefühl, daß er tief in den Gehirnwindungen verschwand. Hinter der Bezeichnung »SK 904, New York« auf dem Ankunftsmonitor blinkte jetzt das schicksalsschwangere Wort »Landed«. Söderstedt wandte den Blick nach rechts zu dem großen Panoramafenster und sah den Rumpf des Flugzeugs vorüberrollen.
Er drückt auf einen Knopf auf der Innenseite seines Gürtels, räusperte sich und sagte: »Der Geier ist gelandet.«
Er stand auf, rückte den Schlips zurecht, warf die Tasche über die Schulter und wartete mit geschlossenen Augen. Kinder wuselten zwischen seinen Beinen umher, Eltern schrien, mal herzzerreißend, mal nur grell. Routinierte Uniformträger hielten mit gut eingeübtem Lächeln die Passagiere der Touristenklasse auf Abstand.
Er verhielt sich vollkommen still. Ganz und gar unauffällig. Er zog keine Blicke auf sich. Das hatte er nie getan.
Die Schlange kam jedoch ziemlich schnell in Bewegung. Der Pfropfen löste sich, und er schritt langsam durch den Flugzeugrumpf, dröhnte über die metallenen Meter der Verbindungsbrücke und drang durch den aufwärts führenden schwankenden Gang ein.
Er kam auf festen Boden. Er war da.
Jetzt würde der Kreis sich schließen.
Jetzt konnte er ernstlich anfangen.
Es war interessant zu beobachten, wie viele Gesichter das Gehirn speichern konnte, bevor sie allmählich ineinander verschwammen. Söderstedt fand, daß die Grenze schon bei fünfzig verlief. Am Ende war der Strom der Passagiere aus New York nur noch eine anonyme graue Masse. In der Mehrzahl ohne Zweifel allein reisende männliche Weiße mittleren Alters. Er konnte keine Zeichen von Abweichungen erkennen. Die Herde bewegte sich ziemlich einheitlich durch die Transithalle. Manche glitten in die Toiletten, kamen aber bald wieder heraus, andere machten einen kurzen Abstecher in die Läden, wieder andere kauften belegte Brote in der Cafeteria, auf daß ihnen an der Kasse der Appetit verginge.
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