Böses Blut
formulierte sie. Es war nicht zu vermeiden. »Er ist draußen.«
Hultin hielt Hjelms Blick noch einen kurzen Moment fest. Seinem inoffiziellen Nicken widersprach der barsche Tonfall: »Jetzt gehen wir rein und machen weiter. Steh nicht hier rum und sau die Gegend ein.«
Hultin verschwand. Hjelm blieb noch eine Weile stehen und saute die Gegend ein.
Er befingerte seine Lippen und wunderte sich über das Blut. Dann hob er das Gesicht zum sich verdunkelnden Himmel und hielt es den ersten kühlen Regentropfen entgegen.
Der Herbst war nach Schweden gekommen.
5
Es wurde Nachmittag, bevor es sich lohnte, wieder in der »Kampfleitzentrale« – mit Anführungszeichen, die immer weniger ironisch geworden waren, je länger die Machtmordermittlung dauerte – zusammenzukommen. Die eine oder andere heimliche Hoffnung auf einen vergleichbaren Verlauf zog durch die etwas abgestandene Luft. Im übrigen herrschte eine Art kontrollierter Angst; es bestand kein Zweifel am Ernst der Lage.
Jan–Olov Hultin kam von der Toilette, den Blick in Papiere vertieft, die aussahen, als habe er sie soeben benutzt, aber vergessen, sie mit fortzuspülen.
Er setzte sich in seinem gut eingesessenen Armlehnenstuhl zurecht und ließ seiner Darlegung eine innere Schnelldisposition vorangehen, so daß es zu einer zehnsekündigen Verzögerung kam: »Das Resultat des Arlanda–Debakels ist niederschmetternd. Das einzig Konkrete, was dabei herausgekommen ist, sind drei Anzeigen gegen die Polizei. Zwei betreffen Viggo.«
Norlanders Gesichtsausdruck war eine gelungene Verbindung von Beschämung und Stolz.
»Die erste stammt von der Paßbeamtin«, fuhr Hultin fort, ohne aufzublicken. »Sie fand, deine Annäherungsversuche gingen entschieden zu weit, gibt sich aber zufrieden, sagt sie, wenn ich dir einen Rüffel erteile. Hätten wir nicht Dringenderes zu tun, würde ich mich damit nicht zufriedengeben. Idiot. Die zweite Anzeige betrifft ein kleines Mädchen, das du bei der Jagd auf den kräftig drogenschmuggelnden Robert E. Norton umgerannt hast. Mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem zarten Geschlecht, kann man vielleicht sagen. Doppelidiot. Die dritte Anzeige ist ein bißchen schwer zu deuten. Einer der Märsta–Polizisten ist wegen, ich zitiere, ›Volltrunkenheit‹ an der Bar der Transithalle angezeigt worden.«
Arto Söderstedt lachte schallend und abrupt. »Entschuldigung«, sagte er nach einer Weile. »Er heißt Adolfsson.«
Weil eine weitergehende Erklärung ausblieb, fuhr Hultin ungerührt fort: »Dann zum Wesentlichen. Ein Edwin Andrew Reynolds existiert nicht. Der Paß war natürlich gefälscht. Und trotz der eifrigen Bemühungen unserer Computertechniker ist das Paßfoto nicht besser geworden.
Er drehte den Monitor auf dem Schreibtisch um und rief die Vergrößerung eines vollkommen dunklen Gesichts auf. Konturen waren vorhanden, vielleicht würde eine Gesichtsform erkennbar sein, vielleicht war er blond. Im übrigen vollkommen anonym.
»Wir wissen nicht einmal, ob er sein eigenes Foto benutzt hat; man akzeptiert ja zehn Jahre alte Bilder, und eigentlich ist es überhaupt kein Problem, ein Foto mit einer nur annähernden Ähnlichkeit einzureichen. Auf jeden Fall ist der Clou mit der Fotoanordnung des Zolls ein Reinfall. Alle Bilder sehen ungefähr gleich aus. Man schiebt es auf die neue Technik und darauf, daß man nicht genug Zeit zur Vorbereitung hatte. Und so weiter. Natürlich sind Hotels, die Bahn, Flughäfen, Fährhäfen, Misthaufen et cetera informiert worden. Ich glaube kaum, daß wir von der Seite mit irgendwas rechnen können, aber natürlich suchen wir weiter. Ein Plus ist, daß die Medien noch nichts wissen, obwohl in Arlanda die Fernsehkameras schnell zur Stelle waren. Ihr dürftet das Ergebnis heute abend sehen. Unser verehrter Chef Mörner erschien und gab eine Erklärung ab, was jedenfalls für eine gewisse Art Qualitätsfernsehen bürgt. Jemand Fragen?«
»Was war eigentlich mit den Straßensperren?« fragte Gunnar Nyberg.
»Das einzige, was wir bewirkt haben, war ein mehrstündiges totales Verkehrschaos auf der E4. Der Verkehr von Arlanda in alle Richtungen ist ganz einfach zu dicht. Außerdem hat es verdammt lange gedauert, sie aufzustellen. Nur ein richtig blutiger Amateur wäre da ins Netz gegangen. Wir versuchen natürlich, alle Taxi– und Busfahrer zu identifizieren, die zum aktuellen Zeitpunkt von Arlanda losgefahren sind, aber wie ihr wißt, hat die Neuregelung den Taxiverkehr in Stockholm
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