Bombay Smiles
in ein anderes afrikanisches Land. Meine Abschlussarbeit an der Uni hatte ich über den Völkermord in Ruanda geschrieben, über die Verantwortung der Weltgemeinschaft für die grausamen Gemetzel, die 1994 in dem wunderschönen Land der tausend Hügel geschehen waren. Seither hatte ich die Entwicklung der politischen Lage in Afrika mit großer Anteilnahme verfolgt, hatte Bücher und Artikel zur Geschichte dortiger Länder verschlungen. Die Region der Großen Seen hatte es mir besonders angetan.
Ich stieg auf mein Motorrad, um eine Runde durch das nächtliche Barcelona zu drehen. Ich liebte es, auf dieser wunderschönen, schwarz glänzenden Maschine durch die Straßen zu brausen, ein unvergleichliches Gefühl war das. Ich genoss es, die Gran Vía
hinunterzudüsen, dann weiter über die Calle Marina und die Avenida Diagonal, und die Stadt zu verschiedenen Tageszeiten auf mich wirken zu lassen.
In dieser Nacht fuhr ich zum Montjuïc, ich hatte gehört, der Magische Brunnen sei wieder in Betrieb, wie immer im Sommer oder an besonderen Feiertagen. Früher fuhr ich oft mit meinem Londoner Freund Carl Berrisford dorthin. Er konnte von dem Spektakel aus Licht, Musik und Farben nicht genug bekommen. Wir schauten uns die Wasserspiele an und bestaunten die Schönheit der jungen Spanierinnen, die einem in solchen Sommernächten, braungebrannt und in betörende Düfte gehüllt, wie Gestalten aus einem indischen Märchen vorkamen.
An einem kalten Januartag, ich aß mit ein paar Freunden in einem kleinen Restaurant am Meer, klingelte mein Telefon. Ich wünschte, ich hätte diesen Anruf nie bekommen. Carl war in Soho von einem Auto angefahren worden und lag nach dem Unfall im Koma. Als ich mit dem nächsten Flug in London eintraf, war Carl bereits nicht mehr am Leben. Vielleicht war er nun an einem besseren Ort, an dem es Springbrunnen mit Licht- und Farbspielen und hübsche schwarzhaarige Mädchen gab, denen man ewig zuschauen konnte.
Seit jener Zeit stattete ich dem Magischen Brunnen zum Gedenken an meinen Freund jedes Jahr einen Besuch ab. In jener Märznacht wollte ich mir
in aller Ruhe die Wasserspiele anschauen. Als ich ankam, sah ich, dass der Springbrunnen ausgeschaltet war. Es dämmerte bereits und die Parkwächter sahen mich befremdet an. Ich stieg wieder auf mein Motorrad, machte kehrt und rauschte über die Gran Vía nach Hause.
Am nächsten Tag musste ich nicht in die Redaktion, wollte den Vormittag für meine Reisevorbereitungen nutzen. Ich hatte seit Jahren keinen Urlaub mehr gemacht und ununterbrochen gearbeitet. Mein Erspartes dürfte es mir erlauben, für ein, zwei Monate zu verreisen, ohne dass ich allzu sehr aufs Geld achten musste.
Ich ging ins nächstbeste Reisebüro. Die beiden Angestellten dort wirkten sympathisch und gutgelaunt. Inzwischen vertraue ich meinem ersten Eindruck, meiner Intuition immer häufiger. Wir sollten viel öfter unserer Intuition trauen, dem allerersten Gefühl, das sich einstellt, noch bevor wir überhaupt einen Gedanken fassen.
»Was können wir für dich tun?«
»Ich habe Urlaub und würde gerne verreisen, weiß aber nicht genau wohin. Afrika würde mich reizen, es kann aber auch ein anderes Land sein. Meinetwegen auch die USA oder Skandinavien.«
Wir sahen uns an und prusteten alle drei los. Einen Kunden mit derart unklaren Vorstellungen hatten sie hier wahrscheinlich schon lange nicht mehr gehabt.
Marta und Ramón hießen die zwei vom Reisebüro. Wir mochten uns vom ersten Augenblick an und kamen schnell ins Gespräch, allerdings über alles Mögliche, nur nicht über mein Reiseziel.
Als ich das Büro verließ, war ich nicht viel schlauer als vorher, und so schaute ich im Laufe der Woche noch mehrmals auf einen kleinen Plausch bei Marta und Ramón vorbei.
Die beiden waren professionell und zuvorkommend, wir hatten uns in kürzester Zeit angefreundet. Durch Marta lernte ich das Raja Yoga kennen, eine Form des Yoga, die von der Brahma Kumaris-Vereinigung praktiziert wird und als das königliche Yoga oder das Yoga der Beherrschung bezeichnet wird. Mehrfach nahm Marta mich mit zu Meditationssitzungen in das Brahma Kumaris-Zentrum, das es seit einigen Jahren in Barcelona gibt.
»Warum fährst du eigentlich nicht nach Indien?«, schlug Ramón eines Tages vor. »Das wäre bestimmt etwas für dich. Ich war schon da und es hat mir wahnsinnig gut gefallen. Ich könnte dir ein paar Orte empfehlen, und ein paar Freunde habe ich dort auch.«
»Indien?« Ich war entsetzt. »Auf gar
Weitere Kostenlose Bücher