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Bombay Smiles

Bombay Smiles

Titel: Bombay Smiles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Sanllorente
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armen Kinder zu
unterrichten. Sie leistet dort eine großartige humanitäre Arbeit.
    Dafür konnte ich aber der Organisation Maiti Nepal einen Besuch abstatten - es war mein erster Kontakt mit einer nicht staatlichen Hilfsorganisation direkt vor Ort. Bislang hatte mich diese Sorte von Initiativen nie besonders angesprochen, wofür ich mich jetzt ein bisschen schämte. Wieso hatte ich mich vorher nicht für Menschen interessiert, die versuchten, diese Welt, also auch meine Welt, ein wenig besser zu machen? Mir wurde klar, dass ich bisher kaum über meinen Tellerrand geschaut und mich hinter egoistischer Coolness verschanzt hatte.
    »Manchmal beschäftigt uns ein Pickel auf der Nase mehr als die Tatsache, dass jeden Tag Kinder auf der Welt verhungern«, lautet ein chinesisches Sprichwort. Wie wahr das doch ist - und wie traurig!
    Gegründet wurde Maiti Nepal von der Nepalesin Anuradha Koirala. Ich hatte das Glück, mich ganz in Ruhe mit ihr unterhalten zu können. Die energische, charismatische Frau kümmert sich um nepalesische Mädchen, die erst entführt und dann zur Prostitution gezwungen wurden. Ich war ergriffen vom Mut dieser Frau und stellte mir die Frage, ob ich mich auch so aufopfern könnte.
    Anuradha erzählte mir, dass viele Mädchen von ihren eigenen Familien an Prostitutionsringe in Nachbarländern
verkauft werden. Dort werden sie sexuell missbraucht und verstoßen, sobald sie sich mit einer Krankheit anstecken. Es bleibt ihnen selten etwas anderes übrig, als auf der Straße zu sterben.
    »Und wohin bringt man sie zum Arbeiten? Wo sind denn diese Bordelle?«
    »Die meisten landen in Kamathipura, dem Rotlichtviertel von Bombay.«
    »Bombay …«, wiederholte ich bei mir und fragte mich, warum diese Stadt eigentlich nicht auf meiner Reiseroute lag. »Bombay hätte ich auch gerne besucht«, sagte ich meiner Gesprächspartnerin. »Aber daraus wird wohl nichts. Ich habe nicht die Absicht, Indien noch einmal zu sehen.«

3
    Bombay

    Die menschliche Stimme wird niemals dieselbe
Strecke überwinden, wie die kleine und leise
Stimme des Gewissens.
    GANDHI

    Die Monate nach meiner Indienreise waren eigenartig. Es fiel mir schwer, in den Alltag zurückzufinden. Ich war mit meinen Gedanken eher in den Wüsten Rajasthans sowie in den engen Gassen von Varanasi, als auf Barcelonas gepflegten Gehwegen. Jenes ferne Land hatte mich nicht gerade begeistert, aber es ging mir auch nicht aus dem Kopf.
    Ich kaufte mir Dutzende von Büchern über Hinduismus, Jainismus, Buddhismus, Sikhismus, Parsismus und alle möglichen Religionen und Lehren aus diesem Land der tausend Glaubensrichtungen. Ich sammelte alle Daten zur Geschichte, die ich finden konnte, las Biografien über Mahatma Gandhi, den Vater der Nation, über Indira Gandhi, die Eiserne Lady des Orients, und von Dr. Ambedkar, der
sich für die Rechte der Unberührbaren auf dem Subkontinent eingesetzt hatte wie kaum ein anderer. Reiseberichte und Bücher über dieses Land, das mir nun nicht mehr ganz fremd war, durchforstete ich solange, bis sie fast auseinanderfielen. Ich verschlang Texte von Swami Vivekananda, Rabindranath Tagore und Schriften indischer Philosophen, die von großer Weisheit und bewundernswert gesundem Menschenverstand zeugten.
    Wenn ich mit dem Motorrad durch Barcelona fuhr, dachte ich unablässig daran, was ich gelesen hatte. Unaufhörlich entdeckte ich neue Facetten an Indien.
    Je weiter ich mich in die Lektüre vertiefte, desto klarer wurde mir, wie wenig ich bislang gewusst hatte. Die indische Philosophie widmete sich nicht, wie die mir bekannten philosophischen Schulen, dem Individuum oder einzelnen Persönlichkeiten, sondern der Seele und dem Universum. Einige Zitate von Vivekananda beschäftigten mich besonders:
    Alle Verantwortung für Gutes wie Böses liegt bei dir.
Die Verantwortung ist die Quelle großer Hoffnung.
Was du getan hast, kannst du auch wieder
ungeschehen machen.
    Ich weiß auch nicht so recht, wie ich es erklären soll, aber ein paar Monate später stand ich wieder vor meinem Chef und bat ihn noch einmal um vier Wochen Urlaub, damit ich in das Land zurückkehren
konnte, nach dem mich seltsamerweise so großes Heimweh gepackt hatte.
    Diesmal landete ich in der Stadt, deren Namen mir jahrelang hauptsächlich aus einem Lied der Popband Mecano vertraut gewesen war; dem Lied zufolge sollte die Stadt das Paradies sein.
    Ich landete in Bombay, der Finanzmetropole des Subkontinents.
    Bombay wurde im 2. Jahrhundert vor Christus

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