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Bombe an Bord (Haie an Bord)

Bombe an Bord (Haie an Bord)

Titel: Bombe an Bord (Haie an Bord) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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die
Pralinenschachtel in ihre Handtasche. Leise öffnete sie dann das Kinderzimmer.
    Nicole hielt ihren Teddy im Arm. Sie
lächelte im Schlaf. Ihr, nur ihr, sollte das Geld zugute kommen, das Jutta
erpressen wollte. Sie hoffte auf 300 000 Mark. Damit ließ sich Nicoles Zukunft
absichern. Von ihrem schmalen Gehalt als Kassiererin konnte sie Nicole nicht
viel bieten.
    Ein bißchen, dachte sie, freut es mich,
wenn Blohm morgen den Brief erhält. Dieser teigige Angeber! Soooooo geht es
nicht. Grob fahrlässig versagt! Blödmann! Als könnte ich jeden Dieb an der
Nasenspitze erkennen. Unerträglich, wie sich dieser Kerl immer aufspielt —
damit er vor der Geschäftsleitung als Supermann dasteht. Als Supermann mit
Bauch und Glatze.
    Jutta schlief unruhig in dieser Nacht.
    Als sie am frühen Morgen in die Küche
kam, hatte Oma Carina schon den Kaffee gebrüht.
    „Buon Giorno, Jutta.“

    Jutta küßte sie flüchtig auf die Wange.
Sie wußte, daß Carina das erwartete.
    Die 58jährige war etwas mehr als
mittelgroß und eher hager als schlank. Sie hatte die scharfen Züge der
alternden Zigeunerin mit messerscharfer Nase und blitzenden Augen. Die Haut war
olivbraun. Um die Augen spreizte sich ein Kranz von Krähenfüßen. Das grau-blaue
Haar trug sie immer straff zurückgebürstet und zum Knoten geschlungen. Jutta
hatte sie nie ohne riesenhafte Ohrringe gesehen — mal Gold, mal Silber, mal
Talmi. Außerdem liebte sie Ketten — und trug sie pfundweise.
    „Nachher bringe ich Nicole noch zur
Schule, bevor ich ins Kaufhaus gehe“, sagte Jutta, als sie frühstückten. „Um
elf Uhr hat sie Schluß. Wenn du sie dann abholst...“
    „Selbstverständlich“, lächelte Carina.
Sie sprach perfekt deutsch, ebenso gut französisch und ein bißchen englisch.
„Darauf freue ich mich doch. Aber vorher sehen wir uns noch.“
    Jutta hob die Brauen. Ihr Mausgesicht wirkte
jetzt nicht so verkniffen wie während der Arbeit. Sie trennte Privatleben und
Job und hatte unterschiedliche Stimmungen für das eine wie das andere.
    Carina nickte heftig, wobei Ohrringe
und Ketten klimperten. „Ich besuche dich nachher im Kaufhaus. Werde einkaufen,
mich umsehen, Anregungen sammeln. In dieser Stadt ist was los. Ich kriege nicht
genug davon. Bei mir zuhause ist es schöner. Das Licht ist heller — Düsterkeit
wie hier gibt es nicht. Aber was ist Isoputavabella gegen diese Riesenstadt.“
    Jutta seufzte. „Ich weiß nicht.
Vielleicht wäre ich lieber dort.“
    „Dort gibt es keine Arbeit für dich“,
Carinas Worte klangen nach Abwehr. „Wenn du bei uns nicht zu den Reichen
gehörst, mußt du hart sein, um zu überleben.“
    Jutta lächelte. „So hart wie du?“
    Es war als Scherz gemeint. Aber Carina
nickte, und ihr Gesicht blieb ernst.
    „Hart und rücksichtslos. Vielleicht
sogar grausam.“
    Dann griff sie nach der Zeitung und
begann zu lesen.
    Keine weiteren Fragen! hieß das. Und:
Ich will nicht mehr reden.
    Jutta stand auf, um ihren Liebling zu
wecken.
    Nicole war ein hübsches Kind — mit
dunklen Augen wie ihr Vater.
    Nachdem Jutta ihr Töchterchen in die
Grundschule gebracht hatte — sie war früh eingeschult worden und machte sich
gut in der ersten Klasse — , fuhr sie mit der U-Bahn zum Rathausplatz. Von dort
war es nur ein Katzensprung bis zum Kaufhaus.
    Sie gehörte zu den ersten, die das
Riesengebäude durch den Personaleingang betraten. Wenige Minuten bevor geöffnet
wurde, stellte sie die Pralinenschachtel in ein Regal der Süßwaren-Abteilung.
Dabei achtete sie darauf, daß sie von keiner Kamera beobachtet wurde.
    Vor Kollegen und Kolleginnen brauchte
sie sich nicht vorzusehen. Die Verkäuferinnen waren noch im Personalraum.
Außerdem war hier im zweiten Stock nahezu alles auf Selbstbedienung umgestellt.
Auch würde Jutta bis elf Uhr die einzige Kassiererin sein. Die drei anderen
Kassen blieben solange unbesetzt, weil sich um diese Zeit in dieser Abteilung
der Personalaufwand nicht lohnte.
    Für die Gift-Pralinen wählte sie einen
Platz, der für Kunden fast unzugänglich war: ganz hinten im Regal, geschützt
von anderen Bonbonnieren. Denn — wie gesagt — es sollte kein Unglück geschehen.
    Den Erpresserbrief hatte sie bereits
gestern abend zugestellt — als sie die Etage als letzte verließ — und in Blohms
Büro-Briefkasten eingeworfen. Der würde sich wundern, der Menschenschinder.
    Jutta setzte sich an ihren Platz. Jeder
Kunde mußte an Kasse 3 vorbei. Die anderen waren mit Ketten versperrt.
    Dieser nervöse Magen!

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