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Bone 02 - Das Ende des Himmels

Bone 02 - Das Ende des Himmels

Titel: Bone 02 - Das Ende des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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Haar, rasierte Muster und Zöpfe, dazu jeder erdenkliche Kleidungsstil in allen möglichen Farben.
    Was hätten die ursprünglichen Kolonisten gedacht, wenn sie das sehen könnten? Nach der Legende sollten ein paar von ihnen noch am Leben sein, nachdem sie sich durch technische Mittel unsterblich gemacht hatten, aber Hiresh glaubte nicht an solche Märchen. Es wären ohnehin kaum mehr als ein paar Tausend. Verbitterte Männer und Frauen von der Erde, die als Gefängniswärter die Deserteure und später auch die außerirdischen Gefangenen aus den vielen Expansionskriegen bewachten. Ihre Nachfahren bezifferten sich inzwischen auf mehr als eine Billion. Hier gab es mehr Sprachen, als jemals auf der Erde existiert hatten, und sie hatten viel mehr Götter und zahlreiche ungewöhnliche Sitten erfunden. Sie hatten sich eine Heimat geschaffen, die eng den Planeten umschloss, den sie bewachen sollten. Bis zur Krise war das Dach immer weiter in den Weltraum hinausgewachsen. Es war die beste und größte menschliche Zivilisation gewesen, die es jemals gegeben hatte. All das verkörperte diese Menge für Hiresh. Von ihnen kam das »Getöse«, wie die Dachbewohner es nannten. Es schwappte über die erschrockenen Auszubildenden hinweg und ließ Hiresh wie hypnotisiert erstarren. Er liebte diesen Moment, immer wieder. In einem offenen Durchgang zu stehen, wie ein Klippenspringer, die Empfindungen des Schwindels und der Begierde zu spüren. »Bin ich bereit?«, fragte er sich dann. »Werde ich es schaffen?« Das erinnerte ihn jedes Mal an den Tag, als er sein Zuhause verlassen hatte. An seine wunderbare Flucht.
    »Nun komm schon!«, rief Tarini. »Du Idiot, wach endlich auf, du Idiot! Er ist genau hinter uns!«
    Sie sprang in die erstbeste Öffnung in der Menge, wo eine alte Religiöse stehen geblieben war, um ihren Schleier zurechtzurücken. Er suchte sich eine andere Lücke aus und glitt so mühelos hindurch wie ein Fisch durch das Wasser eines Tanks. Es war hilfreich, dass in letzter Zeit alle sehr mager geworden waren.
    Die Bewegung der Menge verriet ihm, dass sich Tarini nach rechts gewandt hatte, und er folgte ihr in der Hoffnung, dass sie einen Plan hatte, weil er keinen hatte. Wäre er allein gewesen, hätte er einfach hier gewartet, und wenn es ihm nicht gelungen wäre, Chakrapani zu beruhigen, hätte er den Schlafpfeil hervorgeholt und versucht, seinen Meister damit zu betäuben. Eine idiotische Idee, da beim letzten Mal sechs davon nötig gewesen waren, um ihn niederzustrecken. Wenig später lief Hiresh parallel zu Tarini durch den Ozean aus Menschen. Er wusste stets, wo sich die nächste Lücke öffnen würde. Vor ihm auf dem Korridor hatte ein junger Mann etwas fallen lassen und bückte sich, um es wieder aufzuheben. Die Menge floss um ihn herum, wodurch Hiresh genügend Platz hatte, um zwei Schritte Anlauf zu nehmen und über seinen Rücken in den freien Bereich dahinter zu springen. Der Mann regte sich auf, aber die meisten Leute lachten trotz ihres Hungers. Hiresh war bereits weitergerannt und nutzte das gewonnene Tempo, um geduckt zwischen sich streitenden Freunden hindurchzurutschen. Brillante Idee! , dachte er und vergaß für einen Moment die Gefahr.
    Doch das Getöse hinter ihm wurde immer lauter. Chakrapani verfolgte ihn wutschnaubend und war viel zu aufgebracht, um die Lücken zu finden. Stattdessen verbreitete er um sich herum eine Panik, deren Ausläufer Hiresh körperlich spüren konnte. Jeden Tag starben Dachbewohner, wenn es wieder zu einer Massenpanik kam, von der Herde mitgerissen und gegen die Wände gequetscht. Sie lebten in Furcht vor solchen Ereignissen, wie sich ihre primitiven Vorfahren einst vor Feuer und Seuchen gefürchtet hatten. Alle – selbst die Religiösen – loggten sich in Lektionen ein, um zu lernen, wie sich die Risiken minimieren ließen. Ruhig bleiben und aufrecht stehen. Sich auf offene Bereiche zubewegen. Die Alten schützen.
    Doch Chakrapanis Raserei würde sich nicht beschwichtigen lassen, und Hiresh und Tarini konnten die unvermeidliche Panik nur dann überleben, wenn sie weit genug auf Abstand blieben. Lauf weiter! , übermittelte er Tarini. Du musst weiterlaufen.
    Glaubst du, ich wüsste das nicht, du Idiot? Ich habe Dr. Narindi angerufen – er schickt wieder einen Trupp. Dennoch fiel sie hinter ihn zurück, da ihre kürzeren Beine schneller ermüdeten als seine. Jetzt hörte er Schreie und konnte sich bildlich vorstellen, wie sein Meister die Leute aus dem Weg stieß.

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