Bone 02 - Das Ende des Himmels
weiter so tun konnte, als wäre er ein Krieger.
Jagadamba atmete fast nicht mehr, als die Medizin endlich eintraf. Hiresh hatte so etwas noch nie zuvor gesehen. Sie unterschied sich kaum von einer blassen Creme in einem einfachen grünen Glas. Vor Hireshs Geburt konnte jeder so viel davon bekommen, wie er wollte, indem er nur daran dachte. Das Dach konnte es über die Wände einer Wohnung abgeben oder es als Gas in die Luft entweichen lassen.
Vater erlaubte nicht, dass irgendjemand die Medizin berührte. »Nicht mit der bloßen Haut!«, sagte er. »Keiner von uns ist perfekt, und die Nanos könnten sich damit verausgaben, statt einen von uns zu heilen.«
»Warum können sie nicht uns alle heilen?«, fragte Stolperzunge.
»Sie sind darauf programmiert zu sterben«, erklärte Hiresh. »Das hält sie davon ab, auf unerwartete Weise zu mutieren. Stell dir vor, wie gefährlich schlechte Nanos werden könnten, wenn sie sich ungehindert vermehren! Sie könnten die gesamte Welt fressen!« Er knurrte. »Vielleicht tun sie es bereits. Wahrscheinlich ist das Virus auf diese Weise entstanden …«
Vater strich die Creme mit Handschuhen auf die Haut der alten Dame, so nahe an ihren Verletzungen wie möglich. Die Prellungen sahen furchtbar aus, und die Knochen bewegten sich viel zu leicht unter seinen starken Fingern.
Doch es dauerte nur wenige Stunden, bis das Wunder eintrat. Bevor es wieder Zeit zum Schlafen war, öffnete die alte Frau die Augen. Sie blickten sich verwirrt im Raum um, anscheinend ohne sich auf eine bestimmte Person zu konzentrieren.
Der Wilde schien es kaum erwarten zu können, nach seiner verräterischen Frau zu fragen. Aber er hielt sich zurück. »Geht es dir besser, Jagadamba? Mach dir keine Sorgen, du bist unter Freunden.«
»Dachanbeter«, krächzte sie. »Letztlich sind sie Heiden.«
Sie schloss wieder die Augen. Diesmal atmete sie mühelos und ruhig. So entspannt hatte Hiresh sie noch nie zuvor atmen gehört.
Am Morgen sah Hiresh eine neue Zelle in einer Ecke, wo sich zuvor keine befunden hatte. In früheren Zeiten hatte Vater die Wohnung manchmal durch eine Trennwand halbiert, damit er Hiresh prügeln konnte, ohne dass Mutter sich einmischte.
»Du wirst glauben!«, hatte Vater einmal gesagt. »Und wenn ich dir dazu sämtliche Knochen brechen muss.«
»Ich werde dich fertigmachen!«, hatte Hiresh zurückgeknurrt. »Das werde ich tun!«
»Was, du? Ein Grashalm, der sich nicht einmal gegen ein Gänseblümchen im Park durchsetzen könnte?«
Wohl wahr, aber trotzdem brauchte Vater jedes Mal mehrere seiner Freunde, die seinen Sohn festhielten, wenn die Zeit für eine neue Tätowierung gekommen war. Die Schande, die er damit über den Grobian gebracht hatte, war die größte Genugtuung, die Hiresh bis zu seiner Flucht vergönnt gewesen war.
Als Mutter ihm gerade eine Tasse mit dünnem Tee reichte, zog sich die Zelle in die Wand zurück und gab den Blick auf seinen Vater und Jagadamba frei. Die alte Frau wirkte kräftig und nicht mehr gebeugt. Die Behandlung hatte sie um einige Jahre verjüngt, auch wenn ihr Haar immer noch überwiegend weiß war. Hiresh wünschte sich, sie hätten die Medizin stattdessen seiner Mutter geben können.
Jagadamba tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit Vater. Sie hatten etwas ausgeheckt. Wahrscheinlich eine neue Rebellion. Aber damit würden sie nicht durchkommen.
»Wir werden uns wiedersehen«, sagte sie.
»Ja.« Er nickte.
Sie sah Stolperzunge an. »Pack unsere Sachen zusammen, Wilder. Wir machen uns auf den Weg zu deiner Frau. Hoffen wir, dass du diesmal niemanden töten musst.«
»Ich habe niemanden getötet«, entgegnete er.
Verwirrt wandte sie sich Hiresh zu. »Dein Vater sagt, ihr wärt in einen Kampf gegen die Wärter verwickelt worden und entkommen.«
»Er hat dem Kerl große Schmerzen zugefügt«, erklärte Hiresh, der sich fragte, worauf diese Sache hinauslaufen würde.
»Aber sie hätten innerhalb weniger Sekunden einhundert Freunde auf uns hetzen können«, sagte sie.
Im ersten Moment wusste Hiresh keine Antwort, aber dann erinnerte er sich daran, dass die Wahrheit häufig die wirksamste Lüge war.
»Sie wussten nicht, wer wir sind. Sie brachten uns in eine Wohnung, um uns ohne Beobachter fertigmachen zu können. Sie wussten, dass sie im Unrecht waren.«
Jagadamba nickte mit einem Lächeln. »Irgendwie typisch für diesen arroganten weltlichen Abschaum. Zweifellos warst du dem Wilden bei diesem Kampf eine große Hilfe, oder?«
»Wilder?«,
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