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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Françoise Sagan
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Salon
in Paris sein. Anne würde hereinkommen und...
    Das Telephon läutete. Es war zehn Uhr
abends. Wir tauschten einen Blick, erstaunt, dann voller Hoffnung: Das war
Anne; sie telephonierte, daß sie uns verziehen habe, daß sie zurückkäme. Mein
Vater stürzte zum Telephon und rief mit freudig erregter Stimme: »Hallo.«
    Dann sagte er nichts mehr als: »Ja, ja!
Wo ist das? Ja.« — mit fast unhörbarer Stimme. Ich stand auf. Angst
durchflutete mich. Ich blickte auf meinen Vater und seine Hand, die mit einer
mechanischen Bewegung über sein Gesicht fuhr. Dann legte er leise den Hörer auf
und drehte sich zu mir um.
    »Sie hat einen Unfall gehabt«, sagte
er. »Auf der Straße durch den Esterei. Sie haben lange gebraucht, um ihre
Adresse ausfindig zu machen! Sie haben mit Paris telephoniert, und dort hat man
ihnen unsere Nummer hier gegeben...«
    Seine Worte kamen mechanisch, ohne
Betonung, und ich wagte nicht, ihn zu unterbrechen.
    »Der Unfall ist an der gefährlichsten
Stelle passiert. Anscheinend sind dort schon viele Unfälle vorgekommen. Der
Wagen ist fünfzig Meter tief abgestürzt. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn sie
es überlebt hätte...«
    An den Rest dieser Nacht erinnere ich
mich wie an einen Alptraum. Die Straße, die im Licht der Scheinwerfer
auftauchte, das unbewegliche Gesicht meines Vaters, die Tür der Klinik... Mein
Vater wollte nicht, daß ich sie noch einmal sah. Ich saß auf einer Bank im
Wartezimmer und betrachtete eine Lithographie, die Venedig darstellte. Ich
dachte an nichts. Eine Krankenschwester erzählte mir, daß es seit Beginn des
Sommers der sechste Unfall an dieser Stelle sei. Mein Vater kam nicht zurück.
    Dann dachte ich, daß Anne sich uns auch
noch durch ihr Sterben überlegen zeigte. Wenn mein Vater und ich uns das Leben
genommen hätten — vorausgesetzt, wir hätten überhaupt den Mut dazu gehabt—,
dann mit einer Kugel durch den Kopf und unter Hinterlassung einiger erklärender
Zeilen, die dazu bestimmt gewesen wären, die Ruhe und den Schlaf der dafür
verantwortlichen Menschen für immer zu stören. Aber Anne hatte uns ein
kostbares Geschenk gemacht. Sie hatte uns die ungeheure Chance gelassen, an ein
Unglück zu glauben: eine gefährliche Stelle, die schlechte Straßenlage ihres
Wagens. Wir würden sehr bald schwach genug sein, dieses Geschenk anzunehmen. Es
kommt mir recht phantastisch vor, wenn ich heute von einem Selbstmord rede.
Kann man sich denn wegen Geschöpfen wie meinem Vater und mir das Leben nehmen,
wegen Geschöpfen, die keinen Menschen brauchen, weder tot noch lebendig? Mein
Vater und ich haben übrigens immer nur von einem Unfall gesprochen.
    Am nächsten Tag kamen wir gegen drei
Uhr mittags wieder nach Hause. Dort erwarteten uns Elsa und Cyril, auf den
Stufen der Treppe sitzend. Sie erschienen uns wie zwei wunderliche, vergessene
Gestalten; keiner von beiden hatte Anne gekannt, keiner hatte sie geliebt. Da
standen sie nun mit ihren kleinen Liebesgeschichten und mit dem doppelten Reiz
ihrer Schönheit und ihrer Verlegenheit. Cyril machte einen Schritt auf mich zu
und legte seine Hand auf meinen Arm. Ich blickte ihn an: Ich hatte ihn nie
geliebt. Ich hatte ihn nett und anziehend gefunden. Ich hatte die Lust geliebt,
die er mir gab; aber ich brauchte ihn nicht. Ich würde fortgehen und alles
verlassen, dieses Haus und diesen Knaben und diesen Sommer. Mein Vater war bei
mir, er nahm mich beim Arm, und wir gingen ins Haus.
    Im Haus waren Annes Jacke, ihre Blumen,
ihr Zimmer, ihr Parfüm. Mein Vater schloß die Läden; er nahm eine Flasche Wein
aus dem Eisschrank und zwei Gläser. Es war das einzige Heilmittel, das uns zu
Gebote stand. Unsere Entschuldigungsbriefe lagen noch auf dem Tisch. Ich gab ihnen
einen Stoß mit der Hand, und sie flatterten auf den Fußboden. Mein Vater, der
mit einem vollen Glas auf mich zukam, zögerte und vermied es dann, darauf zu
treten. Ich sah darin ein Symbol und fand es geschmacklos. Ich nahm das Glas in
meine beiden Hände und stürzte es auf einen Zug hinunter. Das Zimmer lag im
Halbdunkel, ich sah den Schatten meines Vaters vor dem Fenster. Das Meer schlug
gegen den Strand.

ZWÖLFTES KAPITEL
     
    D ann kam Paris: die Beerdigung bei
strahlendem Sonnenschein, eine neugierige Menge, schwarze Trauerkleider. Mein
Vater und ich drückten die Hände von Annes alten Verwandten. Ich betrachtete
sie voll Neugier. Sicher hätten sie einmal im Jahr bei uns Tee getrunken. Mein
Vater wurde mitleidig angeschaut. Webb schien die

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