Berlin Gothic 3: Xavers Ende
1
„Hallo? Kann ich bitte einen Espresso haben - einen doppelten? Ja? Daaanke.“
Was guckt sie denn so?
(ICH WILL NICHT AN DEN HUND DENKEN!)
Wozu denn auch? Das ist nicht nötig. Es bringt einen nirgendwohin. Es geht nicht darum, darüber nachzudenken, sich in den Erinnerungen zu siehlen - sich mit ihnen die Haut aufzuschneiden -
ES GEHT DARUM, ES ZU MACHEN -
Machen machen machen …
Was machen?
Der nächste Hund? Die nächste Katze? Der nächste Floh?
„Danke. Zucker? Ah - okay … “
Muss sie sich so weit herunterbeugen, dass ich nicht anders kann, als in ihre Bluse zu starren?
„Das Wasser nehme ich auch gerne, danke.“
Hmmm … ich liebe Espresso, wenn er gut gemacht ist … wann war ich das letzte Mal hier? Vor einem Jahr? Zwei?
…
DU MUSST IHR EINEN ARM BRECHEN.
…
Welcher?
Der dort hinten?
(NEIN, der Kellnerin!)
Der Kellnerin?
Ich merke es doch, der Gedanke … wie … wie geht das? Ihn auf den Rücken drehen - nein, das kugelt aus … übers Knie schlagen - den Unterarmknochen - nein nein …
Ist es das, was du ausloten willst?
„Alles bestens, danke.“
(Reiß ihr einfach die Bluse auf, lass sie herausspringen - )
Nein, darum geht es nicht! Soll der Hund umsonst sein Leben gelassen haben? Du stehst noch immer am Anfang.
B r i c h i h r d e n A r m !
Aber bis sie Feierabend hat …
„Entschuldigung?“
…
„Entschuldigen Sie, ich … nein, wirklich, Sie müssen jetzt einen falschen Eindruck bekommen … “
Dieser Busen, dieser nackte Spalt zwischen den Brüsten -
„ … nein … nein, ist schon gut.“
Sie lacht! Sie lacht mich an - ich gefalle ihr!
„Nein, ich werde ein paar Besorgungen machen und dann noch einmal vorbeikommen - was?“
Sie hat gleich frei?
Nach welchem Parfüm riecht sie eigentlich?
„Okay, ich warte - Moment - hier, dann zahle ich gleich - so, stimmt so - NEIN, auf keinen Fall, ich … es gefällt mir, wie sie sich freuen, darf ich Ihnen wenigstens ein Trinkgeld geben?“
Und Ihnen nachher die Bluse aufreißen?
„Gut - kein Problem - ich warte gern - ich geh schon mal auf die Straße und warte dort auf Sie, ja?“
Wie alt ist sie wohl? Zwanzig, dreiundzwanzig? Ich sollte sie einfach mit nach Hause nehmen, sie entkleiden -
Das ist nicht dein Weg!
Du sollst dich nicht über ihre Nacktheit hermachen - du sollst ihr den Arm brechen!
DAS ist der Weg, den du eingeschlagen hast!
2
„Was?“
„Hier!“
„Wo denn?“
„Na, hier!! “
Claire presst ihre Fotografentaschen an sich und sprintet über die Fahrbahn. Auf der anderen Straßenseite steht der Kollege, der ihr zugewunken hat.
„RÄUMEN SIE BITTE DEN GEHWEG … WIR FORDERN SIE AUF, DEN GEHWEG FREIZUMACHEN“, scheppert eine Polizeiansage durch die Straßenschlucht. Ein Mannschaftswagen steht quer über der Fahrbahn, auf dem Dach ist ein Lautsprecher montiert.
Claire achtet nicht auf die Ansage. Ihr Kollege hält das rot-weiße Absperrband hoch, sie beugt sich herunter - ist durch.
Aus dem Eingang des Hochhauses strömen die Bewohner.
„Komm!“ Claires Kollege nickt zu einem unauffälligen Seiteneingang.
„Geh schon vor - ich komm gleich nach!“ Claire greift nach der Kamera, die ihr um den Hals hängt.
Die Gesichter der Anwohner! Eine alte Frau mit der Hand an der Wange. Ein Dicker in Trainingshosen.
„Was ist denn los?!“ Claire stellt sich einer jungen Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm fast in den Weg. Die Augen der Frau schnellen in Claires Gesicht.
„Was?“
„Was los ist! Warum hat die Polizei das Gebäude abgesperrt?“
„Ich weiß es nicht, entschuldigen Sie - “, die Frau schiebt sich an Claire vorbei, dreht sich dann aber doch noch einmal um. „Im achtzehnten, es muss im achtzehnten Stock gewesen sein“, sie stolpert weiter.
Claire hat mit ihrer Redakteurin gerade ihre Serie über Berliner Tatorte besprochen, als der Anruf gekommen ist. Ein Reporter ist mit seinem Wagen auf der Leipziger Straße Richtung Redaktion unterwegs gewesen, als er den Aufruhr vor dem Hochhaus bemerkt hat. Er ist ausgestiegen, hat einen der Bewohner angesprochen, die vor dem Haus standen. Keiner wusste Bescheid. Es war kurz nach acht Uhr früh, man konnte Schreie und Tumult aus einem der oberen Stockwerke hören. Zu sehen war von außen zwar nichts - aber die Polizei ist alarmiert worden.
Claire hat sich sofort auf den Weg gemacht. Leipziger Straße, das waren von der Redaktion aus kaum fünf Minuten mit dem Wagen. Vielleicht würde sie
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