Bonjour Tristesse
Neuigkeit von der bevorstehenden
Heirat verbreitet zu haben. Ich sah Cyril, der beim Ausgang nach mir suchte.
Ich ging ihm aus dem Weg. Der Groll, den ich gegen ihn hegte, war völlig
unberechtigt, aber ich konnte ihn nicht unterdrücken...
Die Leute um uns her beklagten dieses
dumme und entsetzliche Geschehnis, und da ich noch immer ein wenig daran
zweifelte, daß dieser Tod ein Unfall gewesen war, freute mich das.
Auf dem Rückweg im Auto nahm mein Vater
meine Hand und drückte sie. Ich dachte: ›Du hast nur noch mich, und ich habe
nur noch dich, wir sind allein und unglückliche Und zum erstenmal weinte ich.
Es waren angenehme Tränen; sie hatten nichts gemein mit jener Leere, jener
grauenhaften Leere, die ich im Spital vor der Lithographie von Venedig
empfunden hatte. Mein Vater reichte mir wortlos sein Taschentuch, sein Gesicht
war verwüstet.
Einen Monat lang haben wir wie ein
Witwer und eine Waise gelebt. Wir haben abends zusammen gegessen und mittags
zusammen gegessen und sind nicht ausgegangen. Manchmal sprachen wir ein wenig über
Anne: »Erinnerst du dich noch an den Tag, als...« Wir redeten mit großer
Vorsicht über sie, mit abgewandten Augen, aus Angst, einander weh zu tun, oder
weil wir fürchteten, daß sich bei einem von uns plötzlich etwas lösen könnte
und er Dinge sagen würde, die nicht wieder gutzumachen wären.
Diese gegenseitige Vorsicht und
liebevolle Rücksichtnahme blieben nicht unbelohnt. Bald konnten wir in einem
völlig normalen Ton über Anne reden wie über einen lieben Menschen, mit dem wir
glücklich gewesen waren und den Gott nun zu sich zurückgerufen hat. Ich
schreibe »Gott« anstatt »Zufall«; aber wir glaubten nicht an Gott. Wir konnten
uns schon glücklich schätzen, unter diesen Umständen an einen Zufall zu
glauben.
Und dann traf ich eines Tages bei einer
Freundin einen ihrer Cousins, der mir gefiel und dem ich gefiel.
Eine Woche lang ging ich mit ihm aus,
häufig und unbedacht, wie immer am Anfang einer Liebe, und mein Vater, der
nicht zum Alleinsein geschaffen war, tat das gleiche mit einer ziemlich
ehrgeizigen jungen Frau. Unser Leben begann wieder wie früher, wie es nicht
anders zu erwarten gewesen war.
Wenn mein Vater und ich einander
begegnen, lachen wir und sprechen über unsere Eroberungen. Er ahnt sicher, daß
meine Beziehungen zu Philippe nicht rein platonischer Natur sind, und ich weiß
genau, daß seine neue Freundin ihn sehr viel Geld kostet.
Aber wir sind glücklich.
Der Winter geht seinem Ende zu, wir
werden nicht wieder die gleiche Villa mieten, aber eine andere, in der Nähe von
Juan-les-Pins.
Nur im Morgengrauen, wenn ich in meinem
Bett liege und nichts höre als das Geräusch der Autos in den Straßen von Paris,
wird mein Gedächtnis mir manchmal zum Verräter: Der Sommer kehrt wieder mit all
seinen Erinnerungen. »Anne, Anne!« Immer wieder sage ich diesen Namen sehr
leise und lange Zeit ins Dunkel hinein. Dann steigt etwas in mir auf, das ich
mit geschlossenen Augen empfange und bei seinem Namen nenne: Traurigkeit —
komm, Traurigkeit.
Françoise Sagan
... EIN GEWISSES LÄCHELN
Deutsch von Helga
Treichl — 183 Seiten in Leinen 9,80 DM
»Diese bittere Romanze
Dominiques und des Mannes Luc ist eine der schönsten unter den modernen
Liebesgeschichten. Sie sind fast alle traurig; dieses Buch aber ist von einer
atemberaubenden Traurigkeit...«
Die Zeit , Hamburg
»Ein berühmtes und auch
ein wenig berüchtigtes junges Mädchen aus Paris, Françoise Sagan, hat, kaum zwanzigjährig,
schon ihren zweiten Roman beendet. Man mag dieses frühreife Mädchen, ein
Produkt des Existentialismus in der Seinestadt, ablehnen oder bewundern — fest
steht, daß sie den Mut hat, Dinge zu sagen, die wir im allgemeinen
verschweigen. Und daß sie eine erstaunliche und oft erschreckende Feder hat...«
Süddeutscher Rundfunk
»Wer den neuen Roman
lediglich als Zeugnis naseweiser Frühreife oder undelikater erotischer Geschwätzigkeit
abtun wollte, schösse zu kurz. In seiner unerhörten Offenherzigkeit ist das
kleine, hitzige, atemlose Buch nämlich ein Dokument der besonderen Situation
eines Teiles unserer Jugend. Es ist ein Buch voller Lebensgier, aber noch mehr
voller Katzenjammer, egoistisch und sehnsüchtig, mißtrauisch gegenüber allen
»bewährtem Illusionen und Moralbegriffen, nicht ganz ohne Gewissen und nicht
ohne tiefe Angst vor einem Leben, das nicht und nirgends zu halten scheint, was
einem versprochen worden
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