Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

Titel: BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
Vom Netzwerk:
einem Kaffeeautomaten, der im Flur stand. Nachdem sich beide mit einem Kaffeebecher bewaffnet hatten, stiegen sie die Treppe zum Archiv hinunter.
    »Vergiss nicht, wenn du morgens kommst, das Hygrometer zu kontrollieren«, wies Miss Olive sie auf einen kleinen Kasten hinter der Tür zum Archiv hin. »Jedes Mal, wenn du hereinkommst, prüfst du die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit. Das ist sehr wichtig, da unsere Schätze sehr empfindlich auf Schwankungen reagieren.«
    Lucy nickte ergeben.
     «Wenn ich nicht da bin, lastet die Verantwortung für die Bücher ganz allein auf deinen Schultern«, wies Miss Olive sie zurecht, als ob sie das lautlose Stöhnen gehört hätte.
    »Die Luftfeuchtigkeit darf zwischen 40 und 42 %, die Temperatur muss stabil bei 18 Grad liegen. Liegt ein Wert darüber oder darunter, benachrichtigst du sofort Mr. Barnes, verstanden?«
    Dreimal begleitete Lucy Miss Olive an diesem Tag in den Lesesaal. Beim dritten Mal konnte sie den Text, den Miss Olive bei der Ausleihe vorbetete, komplett mitsprechen. Zum Glück mussten die Buchkartons nicht die steile Treppe hochgeschleppt werden. Neben dem Büro von Miss Olive war ein kleiner Aufzug in die Wand eingelassen, der die Bücher nach oben transportierte. Lucys Aufgabe war es, die gewünschten Bücher aus den Regalen zu holen und mithilfe eines Wagens zu dem Lift zu transportieren, der sich im Lesesaal mit einem Schlüssel öffnen ließ. Diesen trug Miss Olive an einem Lederband um den Hals.
    Jetzt war Lucy auch klar, weshalb Miss Olive so zierlich war. Wer mehrfach am Tag die Treppen vom Archiv in den Lesesaal zurücklegen musste, hatte keine Zeit, Fett anzusetzen. Über mangelnde körperliche Betätigung würde Lucy sich in den nächsten Wochen nicht beschweren können.
    Sobald der Leser in der Bibliothek ankam, wurden Lucy und Miss Olive benachrichtigt und gingen nach oben. Neben dem Aufzug stand ein Tisch, auf dem das Buch dem Karton entnommen wurde. Selbstverständlich durfte es lediglich mit weißen Baumwollhandschuhen angefasst werden, von denen Miss Olive einen unerschöpflichen Vorrat in ihrem Büro aufzubewahren schien. Danach erfolgten die Belehrung und der Hinweis, dass das Buch spätestens nachmittags um fünf zurückzugeben sei. Alle drei Besucher des heutigen Tages waren nach dem Vortrag von Miss Olive so eingeschüchtert, dass sie die Bücher viel früher zurückgaben.
     
    Die folgenden Tage waren für Lucy angefüllt mit Arbeit. Miss Olive weihte sie in jedes noch so kleine Detail ihrer Tätigkeit ein. Wie man die Bücher katalogisierte. Wo man sie in den riesigen unterirdischen Katakomben fand. Wer durfte die Bücher ansehen, wie wurden die Bücher wieder einsortiert, welche Bücher waren besonders wertvoll und so weiter und so fort. Lucy summte der Kopf von den vielen Informationen. In wenigen Tagen würde sie hier unten allein sein, deshalb versuchte sie, jede Kleinigkeit abzuspeichern, und hoffte, dass sie im entscheidenden Augenblick nichts vergaß.
    Das Wispern der Bücher, das sie täglich begrüßte, versuchte sie standhaft zu ignorieren. Es fiel ihr nicht leicht, denn immer wenn sie sich in die Regalreihen wagte, schwoll es an und entwickelte einen unheimlichen Sog, dem sie nur schwer widerstehen konnte. Auch ihr Mal trug sein Übriges dazu bei. Es glühte und pochte, je verzweifelter die Bücher sie riefen. Doch Lucy hatte sich vorgenommen, sich nicht noch einmal verführen zu lassen. Sie fürchtete sich vor dem, was die Bücher ihr zeigen würden. Das war feige, das wusste sie. Und ein Feigling war Lucy normalerweise nicht. Aber in diesem Fall konnte man eine Ausnahme machen, befand sie. Das, was vor einigen Tagen passiert war, war einfach zu schräg gewesen.
    Trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen den Büchern gegenüber und wünschte sich, dass sie verstanden, weshalb sie nicht nachgab. Das war alles zu verrückt und sie wollte nichts anderes als ein normales Mädchen sein. Etwas Besonderes war sie als Waise ihre ganze Kindheit lang gewesen. Hier in London wollte sie sein wie alle anderen auch.
     

 
    Bücher lesen,
    heißt wandern gehen in ferne Stuben
    über die Sterne.
     
    Jean Paul
    3. Kapitel
     
    Lucy war spät dran. Aber an einem Montag sollte dies verzeihlich sein.
    Eigentlich hätte sie rennen müssen, aber als sie ihn sah, verlangsamte sie ihre Schritte. Sie konnte nicht anders. Abgehetzt strich sie sich ihre widerspenstigen roten Locken aus dem Gesicht.
    Der junge Mann lehnte an dem gusseisernen

Weitere Kostenlose Bücher