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BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

Titel: BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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»Ist jemand hier?«
    »Ja, ja«, hörte Lucy eine Altmännerstimme rufen. Darauf folgten schlurfende Schritte. Sie kamen von oben. Lucy hob den Kopf. Der Buchhändler, der mindestens so alt war wie die Bücher, die er verkaufte, beugte sich über die Empore.
    »Was kann ich für Sie tun, junge Dame«, fragte er freundlich.
    Lucy legte ihren Kopf weiter in den Nacken. »Ich suche einen Gedichtband«, erklärte sie.
    »Gedichte«, wiederholte der Mann mit Verwunderung in der Stimme. »Ich wusste nicht, dass ihr so etwas noch lest.«
    Lucy konnte sich vorstellen, wen er mit ihr meinte.
    »Wer darf es denn sein?« Etwas mühsam kämpfte er sich die Stufen zu Lucy herunter.
    »Tennyson«, erkläre Lucy und sah ihn erwartungsvoll an.
    »Tennyson?« Schon, dass er das als Frage formulierte, machte Lucy Angst. »Ist wohl so ein neumodischer Dichter, oder?«, fügte er hinzu.
    »Eigentlich nicht«, entgegnete Lucy und ihre Stimme zitterte.
    Er schien sie nicht gehört zu haben. »Das führe ich leider nicht. Ich habe vor allem Klassiker und antiquarische Bücher, Mädchen. Das müsstest du eigentlich wissen, bist doch nicht zum ersten Mal hier.«
    »Nein, bin ich nicht«, stimmte Lucy zu. »Wären Sie trotzdem so freundlich und schauen mal nach?«
    Umständlich nahm der Mann seine Brille von der Nase und begann sie zu putzen.
    »Ich bin zwar alt, Kleine, aber meinen Bestand kenne ich immer noch in und auswendig. Und von einem Tennyson hab ich noch nie gehört. Versuch es einmal bei Waterstones. Die führen den ganzen neumodischen Kram. Vielleicht hast du da mehr Glück.«
    »Danke«, brachte Lucy über die Lippen, bevor sie auf wackligen Beinen den Laden verließ. Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich zu setzen.
    Sie überlegte kurz. Irgendwo an der Kreuzung zwischen Strand und Charing Cross befand sich die Filiale der Buchhandelskette, die der alte Mann ihr empfohlen hatte. Wenn sie schnell ging, müsste sie es in zehn Minuten schaffen. Sie musste sicher sein. Ihre Hoffnung war auf einen Nullpunkt gesunken, aber sie wollte nichts unversucht lassen. Sie konnte unmöglich der einzige Mensch sein, der sich an Tennyson erinnerte.
    Waterstones war das genaue Gegenteil des kleinen Antiquariats, das sie eben besucht hatte. Der Laden war hell und groß und kein Verkäufer würde behaupten, dass er das Sortiment kannte. Lucy hatte keine Lust, sich noch einmal eine Blöße zu geben. Sie sah sich nach einem freien Computerplatz um, an dem sie das Buch selbst suchen konnte.
    Sie ließ sich nieder und tippte Tennyson in die Suchmaschine ein. Sie war nicht überrascht, als ein negatives Ergebnis aufflammte. Erschöpft lehnte sie sich zurück. Dann fiel ihr etwas ein. Hektisch tippte sie die Namen sämtlicher Tennysonwerke ein. Auch damit kam sie zu keinem anderen Resultat.
    Wie versteinert starrte sie auf den Bildschirm.
    Ein junger Mann trat zu ihr. »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte er. »Brauchen Sie ein Glas Wasser?«
    Sie sah ihn an und sah ihn doch nicht. Ihr Herz raste, ihr Mal pochte, in ihrem Magen rumorte es.
    Lucy griff nach ihrer Tasche und ihrer Jacke und schob sich hastig an dem jungen Mann vorbei. Sie musste an die frische Luft. Ihr war abwechselnd heiß und kalt.
    Sie rannte hinaus und ohne Rücksicht auf die Passanten zu nehmen, spurtete sie zur Bibliothek zurück. Sie jagte an Marie vorbei, die ihr verwirrt hinterhersah. Hastig lief sie die Stufen ins Archiv hinunter und flüchtete sich in ihr Büro. Fassungslos saß sie dort, zu keinem klaren Gedanken fähig, bis die Mitarbeiterin des Lesesaals anrief und ihr eine Bestellung durchgab.
     

 
    Bücher sind die Schiffe,
    welche die weiten Meere der Zeit durcheilen.
     
    Francis Bacon
      4. Kapitel
     
    Der Hörsaal war völlig überfüllt. Das war zu Beginn des Herbstsemesters nicht anders zu erwarten gewesen. Jetzt kamen die meisten Studenten noch regelmäßig zu den Veranstaltungen, aber spätestens bis Weihnachten würde sich die Lage bessern. Lucy schob sich zwischen ihren Kommilitonen hindurch und hielt Ausschau nach einem freien Platz. Sie war froh, dass es ihr gelungen war, sich bereits in ihrem zweiten Semester für dieses Seminar einzutragen. Im Uniführer hatte sie gelesen, dass es beinahe unmöglich war, einen Platz zu bekommen. Als sie allerdings die vielen Studenten sah, die sich mit ihr in den Raum drängten, stieg in ihr die Frage auf, ob das hier überhaupt einen Sinn hatte. In der vorletzten Reihe erspähte sie einen leeren Platz. Der junge Mann, der

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