Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
Kapitel I
Im Jahre des Herrn 1300 Breidenburg/Liesertal/Mosel
D er 19. März 1292, auch Gedenktag des heiligen Josef genannt, würde Gero unvergesslich bleiben, wie so vieles, was ihn später an Elisabeth erinnerte.
Damals waren die Vorbereitungen für seinen zwölften Geburtstag in vollem Gange, und seine Mutter, Jutta von Breydenbach, besprach mit einer Köchin die Menüfolge für ein Festmahl, zu dem sie einige Verwandte und Freunde des Hauses Breydenbach eingeladen hatte.
Auf einem Brotkanten kauend, saß Gero neben den Frauen in der Küche und lauschte interessiert, welche Köstlichkeiten sie aus dem wenigen, was sich nach einem harten Winter in der Speisekammer befand, zaubern wollte, als plötzlich eine alte Waschmagd durch den Türbogen gerannt kam. Wild gestikulierend verkündete sie, dass der Burgherr von seinem Kreuzzug aus dem Heiligen Land zurückgekehrt sei. So wie es aussah, war er zwar verletzt, aber er lebte. Geros Mutter ließ die Liste fallen, die sie bis dahin in der Hand gehalten hatte, und fasste sich ans Herz, als ob sie der Schlag getroffen hätte. Dabei war sie mit einem Mal so bleich wie der Inhalt des Butterfasses. Gero befürchtete schon, sie würde umfallen, doch dann nahm sie ihn bei der Hand und zerrte ihn, gefolgt vom übrigen Gesinde, hinaus auf den Hof, wo sie fünf völlig durchnässten Gestalten auf erschöpft wirkenden Gäulen gegenübertraten. Reiter wie Pferde boten ein Bild des Jammers. Abgekämpft und entkräftet, glitt ein Ritter nach dem anderen aus dem Sattel.
Der verschlossene Ausdruck ihrer bärtigen Gesichter war beängstigend düster und vermittelte Gero das Gefühl, als hätte sich der Anblick der Hölle darin eingebrannt.
„Richard“, stammelte Geros Mutter und fiel ausgerechnet dem Mann um den Hals, den er am allerwenigsten für seinen Vater gehalten hätte. Nur das weißblonde, strähnige Haar, das die eisblauen Augen fast vollständig verdeckte, ließ Gero erahnen, dass es sich um den richtigen Mann handelte. Auch die anderen Ritter – wie sein Vater Gefolgsleute des Erzbischofs von Trier, wie man an ihren abgerissenen Wappenröcken erkennen konnte – glaubte er noch nie im Leben gesehen zu haben. Erst bei näherer Betrachtung erkannte er in ihnen langjährige Kameraden seines Vaters, obwohl auch sie nur noch wenig Ähnlichkeit mit den glattrasierten, frohgemuten Männern hatten, die vor gut zwei Jahren von der Breidenburg ins Heilige Land aufgebrochen waren. Damals waren sie von frenetischem Jubel begleitet worden und der Hoffnung, Jerusalem von den Heiden zurückzuerobern. Später hieß es, die Sache sei nicht so einfach wie gedacht, und man werde länger für die Befreiung des Heiligen Landes kämpfen müssen. Vor ein paar Wochen war ein Bote des Erzbischofs auf der Burg angekommen und hatte Geros Mutter berichtet, Akko sei am 18. Mai des Jahres 1291 endgültig verloren worden, und man wisse nicht, ob die Männer zurückkehren würden. Geglaubt hatte Gero ihm nicht. Er hatte voll und ganz der Waffenkunst seines Vaters und dessen Begleiter vertraut, die nach einem heroischem Aufruf ihres Lehnsherrn mit beinahe dreißig Rittern ins Heilige Land aufgebrochen waren, um zunächst Akko vor dem Einfall der Heiden zu bewahren und später die Heilige Stadt zurückzuerobern. Geros Mutter war nicht gerade begeistert gewesen, als ihr Mann sie mit zwei minderjährigen Söhnen auf dem Familienstammsitz der Breydenbacher zurückgelassen hatte.
Aber Geros Vater hatte damit argumentiert, dass er einen solchen Lehnsdienst nicht ablehnen könne und sie froh sein solle, dass er ihr wenigstens die Wachtruppen zurücklassen werde. Außerdem hatte er ihr mit dem Zisterziensermönch Wintrich von Achenbach einen vertrauensvollen Verwalter an die Seite gestellt, der die Verbindung zum Erzbischof hielt und sich um die dringlichsten Amtsgeschäfte wie die Eintreibung der Abgaben kümmerte. Geros Mutter hätte für solcherlei Dinge fortan sowieso keine Zeit mehr gehabt, weil sie beinahe Tag und Nacht in der Kapelle gesessen hatte, um für die gesunde Rückkehr des Vaters zu beten.
Allem Anschein waren ihre Gebete erhört worden. Richard von Breydenbach machte zwar einen furchterregenden Eindruck, und zu allem Übel fehlte ihm die rechte Hand, aber immerhin lebte er noch.
Mitten unter diesen von Grausamkeiten und Elend gezeichneten Männern befand sich ein unerwarteter Lichtblick. Ein kleines, dunkelhaariges Mädchen, das offenbar hinter seinem Vater im Sattel gesessen hatte,
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