BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)
des Freizeichens und Nathan legte seufzend auf. Am liebsten hätte er das Handy ganz ausgeschaltet, doch er wusste, wie wichtig es seinem Großvater war, ihn jederzeit erreichen zu können.
Er setzte sich an den Schreibtisch und holte seinen Skizzenblock aus einem der Fächer. Langsam blätterte er die Seiten um. Unzählige Bilder von Bucheinbänden breiteten sich vor ihm aus. Welche Künstler wohl diese zahllosen Einbände geschmückt hatten, die er kopierte? Am meisten gefielen ihm die mittelalterlichen Dekors mit den Blindprägungen und Vergoldungen. Es war wichtig, dass er jedes Detail genau festhielt, damit die Künstler sie exakt nachbilden konnten. Erst wenn der Einband fertig war, konnte er mit seiner eigentlichen Arbeit beginnen. So hatten es seine Vorgänger gemacht und so würden es auch seine Nachfolger tun.
Am nächsten Morgen rief Nathan in der Bibliothek an, um Alice ein weiteres Mal vorzubestellen.
»Tut mir leid«, erklärte ihm die Mitarbeiterin am anderen Ende. »Ausleihen aus dem Archiv sind heute nur am Nachmittag möglich. Unsere Archivarin ist im Urlaub und das Archiv nur unregelmäßig besetzt. Ich kann Sie gern vormerken und die Vertretung ruft Sie dann zurück. Würden Sie mir Ihren Namen nennen.«
»Nathan de Tremaine«, erwiderte Nathan und bemerkte ein kurzes Zögern am anderen Ende.
»Lucy wird sich bei Ihnen melden und einen Termin vereinbaren, Mr. de Tremaine.«
»Jemand anderes kann die Ausleihe nicht vornehmen?«, fragte Nathan nach.
»Nein, nein. Leider nicht«, sagte die Stimme. »Aber keine Angst. Lucy beißt nicht.« Dann erklang ein Lachen und es wurde aufgelegt.
Nathan schüttelte den Kopf. Er würde warten, bis sie ihn zurückrief. Er konnte nur hoffen, dass sie sich nicht zu lange Zeit ließ. Sein Großvater würde misstrauisch werden, wenn er nicht bald Resultate sah. Nathan schnappte sich seine Tasche und machte sich auf den Weg zum College.
*************
Lucy lief durch das Tor, das auf den Campus führte, als ihr Handy zu klingeln begann. Sie nahm ab und Maries aufgeregte Stimme erklang. »Er hat angerufen.«
»Wer hat angerufen?«, fragte Lucy mit einer Ahnung im Hinterkopf.
»Na, er. Nathan de Tremaine.«
»Und was wollte er?«, fragte Lucy alarmiert.
»Er wollte noch einmal Alice ausleihen. Ich habe ihm aber gesagt, dass er das nur darf, wenn du da bist.«
»Du hast was?«, fragte Lucy verwirrt.
»Ich habe ihm gesagt, dass er das Buch nur anschauen darf, wenn du da bist, um es ihm zu übergeben.«
Lucy war fassungslos. »Aber das stimmt doch nicht. Ich könnte die Ausleihe auch vorbereiten und derjenige, der im Lesesaal Dienst hat, kann es ihm übergeben. Mr. Barnes hat dieses Vorgehen extra angeordnet.«
»Ja, aber das weiß der gute Nathan nicht. Ich hielt es für besser, wenn du da bist, wenn er kommt.«
»Das glaube ich nicht!«, empörte sich Lucy.
»Ich habe gesagt, dass du ihn anrufst«, unterbrach Marie sie und legte ohne ein weiteres Wort auf.
Lucy starrte auf ihr Telefon und schüttelte bei so viel Unverfrorenheit den Kopf.
»Hallo«, sagte in diesem Moment eine Stimme hinter ihr. Gänsehaut kroch über ihre Arme.
Lucy hob den Kopf und sah in ein rabenschwarzes Augenpaar.
»Störe ich?«, fragte Nathan.
»Nein. Ich …«, stotterte Lucy.
»Ich sollte Sie anrufen«, platzte es aus ihr heraus.
Nathan nickte. »Hat Sie das so aus der Fassung gebracht?« Seine Lippen kräuselten sich leicht in den Mundwinkeln, es reichte allerdings nicht zu einem Lächeln.
Lucy spürte, dass sie rot wurde. Was bildete der Kerl sich ein?
»Ganz sicher nicht«, schnappte sie.
»Ich möchte mir Alice noch einmal ansehen.«
»Geht es Ihnen besser?«, fragte Lucy und musterte sein Gesicht mit der schmalen Nase und den markanten Wangenknochen.
»Ja, danke. Also, wann kann ich in die Bibliothek kommen?«, fragte er ungeduldig. Selbst das Kräuseln war wie weggeblasen.
»Ich bin heute Nachmittag dort. Ab fünfzehn Uhr. Allerdings können Sie das Buch nur bis achtzehn Uhr ansehen. Danach muss es wieder ins Archiv.«
»In Ordnung«, sagte Nathan wandte sich ab und eilte mit weit ausholenden Schritten davon.
Lucy sah ihm hinterher. Die begehrlichen Blicke einiger anderer Mädchen, die über den Campus liefen, waren nicht zu übersehen. Wenn sie wüssten, wie unfreundlich der Kerl war, würden sie ihn nicht so anschmachten, dachte sie.
Es widerstrebte ihr, ihm das Buch auszuhändigen. Allerdings konnte sie sich schlecht weigern. Er hatte alle
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