Borderline ein Narco-Thriller
gut, was das bedeutete.
Es hätte so schön werden können
, dachte er.
Sylvia, Kinder, ein neues Leben.
Ein neuer Schmerzschub ließ ihn gequält aufstöhnen. Sterne tanzten vor seinen Augen, während Carlos spürte, wie Blut und Leben langsam aus ihm wichen.
Wenn schon sterben, dann nicht so!
Carlos tastete nach dem Handy, das zum Glück heil geblieben war. Dann murmelte er ein kurzes Gebet. Und drückte den Home-Button.
1. Kapitel
Endlich wieder zu Hause.
Claire drückt ihr Gesicht gegen das Plexiglas und starrt gebannt auf das unter ihr vorbeiflirrende scheinbar unendliche Lichtermeer des nächtlichen Los Angeles.
Endlich, sie hat es fast geschafft! Es ist das letzte Teilstück einer Reise, die sie vor zwanzig Stunden frühmorgens aus der nebelverhangenen Kap-Region via Johannesburg und New York bis nach LA geführt hat.
Seit die Kabinenbeleuchtung für die bevorstehende Landung gedimmt wurde, schaut sie fasziniert aus dem kleinen Fenster, betrachtet die geraden, wie auf einem Schachbrett angeordneten Linien der hell erleuchteten Straßen.
Von hier oben erscheint alles so klar und strukturiert. Sie weiß, wie schnell sich das wieder ändern wird, wenn sie den Erdboden berührt.
2. Kapitel
Unruhig wälzt sich Diego auf seiner Seite des Bettes hin und her. Das durch die bodentiefen Fenster hereinstrahlende Licht blendet ihn, aber so kann er besser den Körper des nackt neben ihm schlafenden Mädchens betrachten.
Wie heißt sie gleich? Angel?
Mit den Fingern streicht er über ihre Brust, erhebt sich dann und geht ins Bad. Er streckt sich und betrachtet sein Ebenbild in dem teuren Kristallspiegel.
Gar nicht schlecht für einundvierzig
, denkt er und streicht sich stolz über den flachen Bauch. Obwohl er schmal gebaut ist, gefällt ihm sein austrainierter Körper. Er tritt näher an den Spiegel heran, berührt den tiefen Ansatz seiner blonden mittellangen Haare. Ein
blonder
Mexikaner. Etwas, das die Leute verwundert innehalten lässt. Bei dem Gedanken daran, dass auch Angel ihm seine mittelamerikanische Herkunft vorhin bei ihrem kurzen präkoitalen Small Talk nicht glauben wollte, kichert er leise in sich hinein. Dann fährt seine Hand prüfend über das stoppelige Kinn. Es wäre mal wieder Zeit für eine Rasur.
Diego pinkelt, geht dann in das große Wohnzimmer und schaut auf die Lichter des Hafens von San Diego unter ihm. Beim Anblick von all den Schiffen wandern seine Gedanken zurück zur
Alina
, zu Antonio und Carlos. Vor allem aber denkt er an die verschwundenen fünfzehn Millionen. Und an Ernesto Avril, den Colonel.
Avril und er trafen sich ein paar Wochen zuvor in einem überteuerten mexikanischen Restaurant an La Jollas Goldküste. Außer ihnen saßen dort die gelangweilten Frauen reicher kalifornischer Steuerberater, Ärzte oder Anwälte gleich tischweise bei ihrer ersten Frozen Margarita des Tages. Oder einem Size-Zero-Evian. Der trostlose Anblick der aufgetakelten Damen wurde von einigen verlängerten Business Lunchs unterbrochen, bei denen sich Männer in handgefertigten Wildlederloafern zu tausend Dollar das Paar mit ihren Geschichten von Autos, Villen und zwanzigjährigen Mätressen zu übertrumpfen versuchten. Davon unbeeindruckt, in einem Separee an der rückwärtigen Wand, saß Diego im Gespräch mit einem mittelalten grauhaarigen Mann in Chinos und einem schwarzen Polohemd, unter dem sich ein drahtiger, gut erhaltener Körper abzeichnete. Es war ihr zweites Treffen, bei dem es nicht mehr um das
Ob
, sondern nur noch um das
Wie
ging.
„Dreißig Millionen, wofür?“
„Für dreißig Mann.“ Mit kühlem Blick taxierte der Colonel Diego.
„Dreißig Mann also …“, wiederholte dieser gedehnt, während er die Hände vor sich auf dem Tisch faltete und mit einer Brücke seiner sich berührenden Daumen sachte auf das Holz klopfte. „Die bekomme ich an jeder Ecke zwischen Tijuana und Juarez für dreitausend.“
Der Colonel schürzte verächtlich die Lippen und fuhr sich mit der Hand über den sorgsam gestutzten grauen Schnurrbart. „
Jungs
bekommt ihr an jeder Ecke. Jungs mit rostigen Revolvern, zerkratzten AKs oder schartigen Messern. Die, die für ein paar Dollar meinen, alles tun zu
können
. Die dann aber sterben wie die Fliegen. Abfall.“
Gut genug, um sie zur Abschreckung an Brücken aufzuhängen oder ihre Köpfe auf Laternenpfahle zu pflanzen. Diego kannte die immer gleich klingenden Nachrichten aus dem mexikanischen Drogenkrieg zur Genüge.
„Meine
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