Borderline ein Narco-Thriller
handelsüblicher Cola-Büchsen gefüllt, auf eine kleine Palette mit anderen, normalen Dosen gepackt und verschweißt worden. In Cabo war die Ladung auf eine Yacht und von dort aus gen Norden verschifft worden.
Carlos hatte sich direkt bei Maria für die Bewachung der Dosen empfohlen. Warum er von ihr letztendlich als Begleiter ausgewählt wurde, ließ sich nur ahnen. Sicher, er arbeitete seit vielen Jahren für sie, wie zuvor auch schon für ihren Vater. Außerdem war er an der Beschaffung der Diamanten beteiligt gewesen. Scheinbar genug Gründe, um ihm zu vertrauen.
Was Maria allerdings nicht ahnte, war, dass Carlos sich vorgenommen hatte, sie bitter zu enttäuschen.
Es war höchste
Zeit, etwas in seinem Leben zu ändern.
Als Teil von Marias Gefolgschaft war er während der letzten Jahre in unzähligen Gebirgsdörfern der Sierra Madre abgetaucht, immer auf der Flucht vor Armee, Polizei oder verfeindeten Familien. Und genau wie Maria und alle anderen hatte auch er einen hohen Preis für dieses Leben zahlen müssen. Dabei war Carlos alles andere als ein Kämpfer. Nur widerwillig hatte er in dieser Zeit zur Waffe gegriffen, um sich und die Seinen zu verteidigen. In den Jahren davor, unter Hectors Herrschaft, hatte er sich lediglich um Finanzielles kümmern müssen. Hier hatte er derart viel Geschick bewiesen, dass die Locandos auch während ihrer Zeit im Exil stets auf ein beträchtliches Vermögen zugreifen konnten. Und in diesem Land garantierte nur Geld das Überleben.
Erst nachdem Maria einige Monate zuvor die Wiederaufnahme des väterlichen Geschäfts beschlossen hatte, konnte Carlos die Waffe wieder aus der Hand legen. Über ihre Gründe zu diesem riskanten Schritt gab es viele Gerüchte. Allerdings wusste niemand Genaueres. Carlos meinte, dass die Entscheidung mit der Ankunft des Blonden zusammenhing, der mit einigen Männern im Schlepptau urplötzlich auf der Finca erschienen war. Selbst hatte er ihn nur einmal zu Gesicht bekommen, und er hütete sich davor, seine Einschätzung mit anderen zu teilen. Was für ihn zählte, war, dass er in einem klimatisierten Raum hocken und sich mit Zahlen auseinandersetzen konnte.
Von einem solchen Raum aus hatte Carlos den Diamanten-Deal eingefädelt. Die erfolglose Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum Maria einen Teil ihres Vermögens dieses Mal
in
das nördliche Nachbarland transportieren ließ, kostete Carlos unzählige durchwachte Nächte. Fünfzehn Millionen!
Und er? Wurde abgespeist mit ein paar hunderttausend Dollar. Viel zu wenig für das Risiko, das er in Kauf nahm. Es war an der Zeit, auch mal an sich zu denken. Damit meinte er nicht nur sich selbst, sondern seine
familia
. Und das war in erster Linie Sylvia. Sie waren seit fünf Jahren verheiratet, und er liebte sie noch wie am ersten Tag. Nur Kinder fehlten, dabei gab es nichts, was sich beide sehnlicher wünschten. Aber in diesem Umfeld, in dem sie lebten? Für Carlos ausgeschlossen, dazu wuchsen zu viele vaterlose Halbwaise in ihrer Umgebung auf. Für ihn stand fest: Sie mussten Maria und den ganzen Drogensumpf hinter sich lassen. Und diese Tour war seine Chance!
Um die Wellenbewegungen auszugleichen, lehnte Carlos breitbeinig an der Wand, während er auf seinem iPhone die Nummer, die den Zünder aktivieren würde, auf die Kurzwahltaste des Home-Buttons legte. Dann zog er aus dem Küchenschrank die Palette mit den in Folie eingeschweißten Dosen.
Fünfzehn Millionen
, dachte er lächelnd, während er die Packung auf die Tischplatte wuchtete. Er griff sich eine Dose, zog an dem kleinen Metallverschluss und nahm einen Schluck von der braunen Limonade. Mit der Cola in der Hand ging Carlos die Treppe hinauf. Das Kokain machte ihn hibbelig. Nicht gut, denn der schwerste Part lag noch vor ihm.
Um Manuel, den schmächtigen Skipper des Schiffs, machte er sich keine Sorgen. Was sollte der schon ausrichten? Antonio allerdings, der war ein anderes Kaliber. Antonio war an Bord, um die Ware sicher zum Blonden gelangen zu lassen. Der Blonde vertraute Antonio. Und wem er vertraute, der musste gut sein. Sorgen aber bereiteten Carlos nicht nur Antonios unzweifelhaft vorhandenen Fähigkeiten, sondern vor allem die schussbereit neben ihm liegende vollautomatische Heckler & Koch. Carlos war sicher, dass die Kugeln ihm im Falle eines Fehlers die lebenswichtigen Organe innerhalb von Sekundenbruchteilen perforieren würden. Allein deshalb durfte er sich keinen Fehler erlauben.
Durch die Panoramascheibe
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