Borderline ein Narco-Thriller
Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Sie
brauchen das nicht. Meine Männer und vollkommene Überlegenheit hier“, dabei tippte sich der Colonel mit dem Finger an die Schläfe, „sind alles, was zählt. Nach Eingang der Anzahlung präsentieren wir. Wie besprochen.“
„Sie ist bereits auf dem Weg.“
Diego hob nickend sein Glas mit bernsteinfarbenem Mescal: „Salut!“
Tja, da war noch alles in Ordnung.
Wütend ballt er die Faust, schlägt ins Kissen. Erschrocken wacht das Mädchen an seiner Seite auf.
„
Que?
Komm, geh duschen. Ich will allein sein!“ Er gibt ihr einen Klaps und schiebt sie aus dem Bett.
Die Kleine zieht einen Schmollmund, fügt sich aber, steht auf und sammelt ihre Sachen zusammen. Dann verschwindet sie im Bad.
Als sie zehn Minuten später das bereitgelegte Geld von der Anrichte neben der Tür nimmt und das Penthouse verlässt, ist Diego bereits wieder eingeschlafen.
3. Kapitel
In Utah hatten sie Willem Vandenbroucke immer nur
den Buren
genannt. Dorthin war er Anfang der Siebziger aus Kapstadt versetzt worden. Genauer gesagt, in die Kupfermine von Kennecott, einem verschlafenen Nest bei Salt Lake City, in dem er als leitender Ingenieur ein Joint Venture beaufsichtigen sollte.
Mit seinen hundertzehn Kilo, die sich auf einsachtundneunzig verteilten, entsprach er exakt dem Klischee, das den Amerikanern zu den Buren einfiel. Dazu strohblondes Haar, ein imposanter Schnauzbart und sein harter Akzent inklusive rollendem R. Es störte sich auch niemand aus seinem ausschließlich hellhäutigen Kollegenkreis daran, dass Willem nicht nur vom Äußeren her dem weißen Vorzeige-Südafrikaner entsprach. Rassismus war hier kein Makel, den man verbergen musste.
Cynthia, eine fünfundzwanzigjährige Sekretärin, die es von San Diego in die Wüste Utahs verschlagen hatte, lernte er in der Kantine kennen. Dank ihrer großen, dabei grazilen Statur, dem hellen, beinahe durchsichtig erscheinenden Teint und den wallenden ebenholzschwarzen Haaren war sie rein körperlich der vollkommene Gegensatz zu dem schwergewichtigen Südafrikaner. Trotzdem entwickelte sich recht bald eine stürmische Romanze zwischen den beiden, die nach Cynthias Schwangerschaft in einer Ehe mündete. Als es ein gutes Jahr später um die Erziehung der kleinen Claire ging, fanden beide wenig Gefallen an der Aussicht, ihre Tochter in der Einöde Utahs aufwachsen zu sehen. Auf Willems Wunsch hin sollte es zurück ans Kap gehen. Die Sanktionen gegen das Apartheid-Regime hatten zu einem erheblichen Mangel an Fachkräften geführt. Daher war es für ihn ein Leichtes, für sich eine hoch dotierte Position und für Cynthia eine Halbtagsstelle in Kapstadt zu bekommen.
So zog die kleine Familie im November 1976 in das frühsommerliche Constantia. Dort, am Fuße des Tafelbergs, bewohnten sie ein großzügiges Anwesen, das sie vom Konzern, für den Willem arbeitete, gestellt bekamen. In dieser begüterten Umgebung wuchs Claire auf, unbeeinflusst von den sich abzeichnenden Umwälzungen in ihrem Land. Sie war ein stilles Kind, das sich aber, wenn es einmal die Stimme erhob, schon früh mit einer Entschlossenheit äußerte, die ihren Altersgenossen gänzlich abging. Dies und die Tatsache, dass sie in jungen Jahren mit ihrer plumpen Statur eher nach dem Vater zu geraten schien, verschafften ihr in Kindergarten und Schule ein hohes Maß an Spott und Häme.
Claire war auf sich allein gestellt, denn von ihren Eltern war keine Hilfe zu erwarten. Willem, der pausenlos zwischen den im ganzen Land verstreuten Minen pendelte, sah sie lediglich an den Wochenenden. Und Cynthia? Die schien froh, allmorgendlich zur Arbeit in Richtung Kapstadt aufbrechen zu können. Außer einem Kuss blieb nicht viel an Aufmerksamkeit. Claire gewöhnte sich bald an die wechselnden Haus- und Kindermädchen, und anstatt mit anderen Kindern draußen herumzutoben, verkroch sie sich lieber in der riesigen Villa. Besonders hatte es ihr die maritime Bibliothek angetan, in der sie Bildband um Bildband verschlang. In ihren Träumen reiste sie mit den Fotografen und Autoren über die Ozeane dieser Welt. Früh schon stand für sie fest: Sie würde Meeresbiologin oder Fischerin werden - Hauptsache ein Beruf, der sich auf dem Meer abspielte. Das waren natürlich keine Jobs, mit denen sie bei den Mitschülern punkten konnte. Aber nicht nur mit den Gleichaltrigen gab es Ärger, denn mit dem Einsetzen der Pubertät verstärkte sich ihre direkte Art, die von den meisten Lehrern eher als
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