Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
seiner Docksides starrte. »Also, wie lange wurde er schon vermisst?«
»Er wurde nicht vermisst. Er war auf Dienstreise in Paris. Offiziell jedenfalls.«
»Hat man im Wald irgendwelche Spuren gefunden?«
»Nein, dieser Daelemans und sein Sohn haben alles umgepflügt.« Jos Bosmans blätterte rastlos in dem Autopsiebericht herum. »Dewolfs Wagen stand im Euroshopping-Parkhaus. An der Innenverkleidung des Kofferraums klebte Blut. Sein Blut.«
»Er war nackt, als er gefunden wurde«, fuhr Deleu fort.
»Was ist mit seinen Kleidern?«
»Steht alles in der Akte. Die solltest du dir vielleicht vorher mal durchlesen«, grummelte Bosmans. »Sie lagen im Teich, mit einem Stein beschwert.«
»Blut auf der Uniform?«
»Ja. Literweise.«
»Habt ihr der Entourage von Dewolf schon auf den Zahn gefühlt?«
»Nein. Wir werden Ewoud Dewolf verhören, seinen Vater. Dabei bleibt es.«
Deleu zog die Augenbrauen hoch.
»Ich habe keinerlei stichhaltige Indizien. Da kann ich wohl schlecht die gesamte Ultrarechte vorladen.«
»Ich habe gehört, dass es derzeit in der Parteispitze ziemlich kracht.«
»Stimmt. Seit dem spektakulären Wahlsieg in Brüssel ist ein interner Machtkampf entbrannt. Die Haie haben Blut gewittert. Parteichef Somers bekommt zu spüren, dass an seinem Thron gesägt wird. Weißt du übrigens, wer vor kurzem in der Brüsseler Parteizentrale gesichtet wurde?«
»Wer denn?«
»Verspaille.«
»Der ehemalige Staatsanwalt Claude Verspaille! Woher weißt du …«
»Ich habe so meine Quellen«, antwortete Bosmans grinsend.
Deleu erinnerte sich an Verspailles erzwungenen Rücktritt, als wäre es gestern gewesen. Der Staatsanwalt hatte Beweismaterial manipuliert, um Bosmans auszubooten, aber letztendlich selbst den Kürzeren gezogen. Daraufhin hatte Verspaille vor laufender Kamera würdevoll seinen Rücktritt verkündet, angeblich aus freien Stücken, während Bosmans ihn in der Zange hatte und hinter den Kulissen die Fäden zog.
»Aha, und jetzt sucht sich dieser Schmierenkomödiant ein warmes Plätzchen in der Politik«, seufzte Deleu.
»Er sollte sich in Acht nehmen«, zischte Bosmans. »Seit Brüssel hat die Staatssicherheit die Partei im Visier. Na schön, lassen wir das.«
Deleu schnalzte mit der Zunge. »Warum macht sich jemand die Mühe, Dewolfs Identität zu verschleiern, indem er sein Gesicht verstümmelt und die Fingerabdrücke unkenntlich macht, und ritzt ihm dann ein Hakenkreuz in die Brust?« Er schob den Stuhl zurück und stand auf. Seine Knie knackten.
»Dirk, Maud lässt fragen, ob du vielleicht irgendetwas brauchst.«
»Wer lässt fragen – Maud oder Barbara?«
»Meine Frau.«
»Nein, vielen Dank«, antwortete Deleu griesgrämig. Seitdem er und Barbara beschlossen hatten, sich scheiden zu lassen, bohrte Bosmans unablässig in seinem Privatleben. Der Ermittler ging zur Tür, den Mund zu einer Grimasse verzogen.
»Fahr bitte heute mal nach Molenbeek in die Rijkswachtkaserne und hör dich dort ein bisschen um.«
Deleu riss Bosmans’ Bürotür so stürmisch auf, dass sie gegen die Wand krachte. Eine dicke Polizistin auf dem Flur schreckte zusammen, und auf ihrem Tablett mit dem Kaffee für die Kollegen fielen zwei Becher um. Der heiße Kaffee verbrühte ihr die Finger, und sie musste sich sichtlich beherrschen, nicht alles fallen zu lassen. Das alles bemerkte Deleu nicht einmal.
Bosmans starrte durch das schmutzige alte Fenster und krempelte die Hemdsärmel hoch.
Diese verfluchte Hitze! Johan Dewolf. Der schwarze Wolf. Commandant der Rijkswacht von Molenbeek. Recht und Gesetz. Hartes Durchgreifen. Null Toleranz. Nach dem Sieg der Ultrarechten hatte er freie Hand. Molenbeek, nein, ganz Brüssel lag ihm zu Füßen. Unkontrollierbar. Wie lange schon? Einen Monat. Seine Herrschaft hat exakt einen Monat gedauert. Die kürzeste Diktatur des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Bis jetzt zumindest. Wer hatte ihn ermordet und warum? Wenn wir doch nur schon die Antworten parat hätten
.
Die Postfiliale auf der anderen Straßenseite vibrierte in der heißen Luft. Es versprach ein langer, brütend heißer Sommer zu werden.
Hat die Mendonck eine Wohnung mit Klimaanlage?
Auf der anderen Straßenseite schlenderte Deleu zu seinem Golf.
Deleu. Ausgerechnet mit der Mendonck!
Bosmans wusste natürlich schon länger, dass die beiden Kollegen ein Verhältnis hatten, aber seitdem Barbara sie zusammen erwischt hatte, war der Teufel los. Bosmans hatte ihren Augen angesehen, wie sehr sie litt. Barbara war den
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