Bragg 04 - Dunkles Verlangen
Grübchen zum Vorschein, die beide Brüder von der Natur mitbekommen hatten. Die beiden Männer fanden sich zu einer kurzen Umarmung zusammen, trennten sich wieder und sahen sich ein wenig verlegen an. »Gut, dich wiederzusehen«, sagte der Earl und gab Rathe einen liebevollen Klaps auf die Schulter.
Rathe knuffte ihn ebenfalls. »Mein Bruder, der Earl. Und wen haben wir denn da? Nein – das kann doch nicht Chad sein. Hast du nicht gesagt, dass er erst sechs ist?«
»Sieben«, rief Chad und grinste. »Bist du Onkel Rathe?«
Richtig!« Rathe hob den jungen in die Luft, und Chad kreischte vor Vergnügen. »Na, wie wär’s mit einem Ritt?«, fragte er. Als Chad begeistert zustimmte, setzte er ihn auf seine breiten Schultern. »Nick, das ist meine Frau Grace.«
Grace sah ihren Schwager mit einem herzlichen Lächeln an, als der sich zum Handkuss vor ihr verneigte. »Ich bin ja so froh, dass du endlich gekommen bist«, sagte sie leise.
Nick musterte sie ganz offen. »Und ich bin ja so froh, dass mein ungestümer Bruder endlich die richtige Frau gefunden hat«, sagte er schließlich.
Grace grinste, Rathe stöhnte. »Du hast ja keine Ahnung«, rief er. »Wie war die Reise? Nick, wir haben noch einen Gast. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
»Überhaupt nicht«, sagte Nick und folgte seinem Bruder, der Chad immer noch auf den Schultern trug, ins Haus. Er bemerkte jedoch, dass Grace ihrem Mann einen warnenden Blick zuwarf und ein besorgtes Gesicht machte.
»Du kennst unseren Gast übrigens«, fuhr Rathe gut gelaunt fort und setzte Chad vor einer Tür zu Boden, die in einen kleinen Salon führte.
Nicks Lächeln erstarb augenblicklich, als er an seinem Bruder vorbei einen Blick durch die offene Tür warf. Er blieb wie vom Donner gerührt stehen und starrte fassungslos in den kleinen Raum.
Auf dem Sofa saß Jane – ebenso unglaublich schön wie unglaublich blass – und blickte nicht minder schockiert in Nicks Richtung.
Kapitel 54
Obwohl er nach New York gekommen war, um Jane zu suchen, hatte er nicht einmal im Traum daran gedacht, sie im Haus seines Bruders anzutreffen. Es verstrichen endlose Sekunden, bis er seinen Blick endlich von ihr losreißen und wieder halbwegs klar denken konnte.
Jane erhob sich nervös von dem Sofa. Ihre Hände hatten sich in ihr Kleid verkrallt, sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, ihr Gesicht war weiß wie Schnee. In diesem Augenblick trat Lindley ins Bild, der vorher an einem der hohen Fenster gestanden hatte. Er blieb direkt neben Jane stehen, als ob er sie beschützen wollte.
Der Earl verlor völlig die Selbstbeherrschung. Er stürmte auf Lindley los und hätte ihm mit der Faust den Schädel zertrümmert, wäre der andere nicht gerade noch rechtzeitig weggetaucht. So streifte er lediglich Lindleys Wange, was immer noch ausreichte, um den Mann auf die Knie zu zwingen. Der Earl ging wie ein tobender Bulle auf ihn los, packte ihn vorne an der Jacke und riss ihn wieder hoch. Grace zog Chad an sich, der die beiden Männer mit großen Augen anstarrte. Rathe fasste seinen Bruder von hinten und versuchte ihn von Lindley wegzuziehen. »Nick! Verdammt! Hör auf!«
Jane stand fassungslos da.
Nick konnte Rathe abschütteln. Doch inzwischen war Lindley ein paar Schritte zurückgewichen und stand keuchend da. »Wenn du sie angerührt hast, bringe ich dich um, du Dreckskerl!«, brüllte Nick. Sein Gesicht war knallrot, an seinen Schläfen traten die Adern hervor, an seinem Hals zeichneten sich deutlich sichtbar die Sehnen ab. »Ich bringe dich um, hörst du?«
Wieder versucht Rathe ihn festzuhalten. Nick schüttelte ihn abermals ab. »Halt du dich da raus«, sagte er zu seinem Bruder, der sofort zurückwich – nicht etwa aus Angst, sondern weil er begriff, was in Nick vor sich ging.
Dann machte Chad sich von Grace frei und rannte zu seinem Vater. »Papa! Papa!«
Der Earl nahm ihn in die Arme. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Geh jetzt zu Tante Grace. Ich habe noch etwas mit Jane zu besprechen.«
Chad war unschlüssig, doch dann kam Grace, nahm ihn bei der Hand und führte ihn aus dem Zimmer.
Der Earl sah Jane an. Er hatte aus Verzweiflung die geballte Faust erhoben, dachte jedoch gar nicht daran, sie zu bedrohen. »Schläfst du mit ihm? Los, sag schon.«
Jane wich zurück. »Nein«, flüsterte sie kaum hörbar.
»Du hast schon genug Unglück angerichtet«, brüllte Lindley, der hinter den beiden stand. »Lass sie endlich in Ruhe siehst du denn nicht, dass du sie schon
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