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Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel

Titel: Braig & Neundorf 11: Schwaben-Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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diesen Anblick sein ganzes Leben nicht mehr vergessen würde. Schweiß schoss ihm aus allen Poren, ein Kribbeln erfasste seine Schläfen, sein Puls schien sich zu beschleunigen, Gänsehaut breitete sich auf seinem Rücken aus.
    »Nicht zu fassen, wie?«
    Er achtete nicht auf Doldes Worte, starrte gebannt auf das überirdisch schöne Geschöpf, das leblos vor ihm lag. Ein ebenmäßig schmales, wohlgeformtes Gesicht mit bleicher, absolut reiner Haut, kleiner Stupsnase und sanftrosa Lippen, eingerahmt von langen goldblonden, leicht gelockten Haaren. Nicht ein Fleck, nicht ein Punkt, der die Vollkommenheit dieses Wesens störte. Erst ein konzentrierter Blick auf die von einer adretten samtroten Jacke verhüllte Brust ließ erahnen, was dem zarten Geschöpf zum Verhängnis geworden war: Eine kleine, auf dem dunkelroten Stoff kaum erkennbare, von einer wulstigen Kruste umgebene Einschusswunde.
    »Do fehlet bloß no die Flügel«, brummte Rössle, »no wär’s perfekt.«
    Braig sah keinen Anlass, den Vergleich zurückzuweisen. Das Wesen vor ihm trug in der Tat engelgleiche Züge. Er spürte, wie ihm der Anblick physische Schmerzen bereitete, schnappte nach Luft. Sie sieht aus wie ein Engel, ein zarter blonder Engel, hatte der Beamte der Schutzpolizei erklärt, der ihn am Bahnhof in Schwäbisch Hall abgeholt hatte. Weiß Gott, der Mann hatte den Sachverhalt vollkommen richtig erfasst. Besser eß sich der Anblick des Mädchens nicht formulieren. Ein zarter blonder Engel in all seiner Unschuld. Weihnachten war vorbei, die Kerzen, Nikoläuse und Christbäume verschwunden, einer der himmlischen Sendboten aber geblieben.
    »Das darf nicht wahr sein.« Braig hatte die Worte nicht bewusst formuliert, nahm erst nach einer Weile Doldes zustimmendes Nicken wahr. Es war ihm einfach so über die Lippen gekommen. Er spürte die Gänsehaut auf seinem Rücken, fühlte sich schwach und elend. Seine Hände zitterten, um nichts in der Welt hätte er sie jetzt zu einem sinnvollen Zweck benutzen können. Er trat vorsichtig einen Schritt zurück, versuchte, tief durchzuatmen.
    »Manchmal bereue ich meine Berufswahl wirklich«, hörte er den Gerichtsmediziner sagen, »heute zum Beispiel.«
    Braig sah sich aus seiner Erstarrung gerissen, kehrte langsam in die Realität zurück. Er kannte Dr. Schäffler seit langem, war sich der außergewöhnlichen Laufbahn des jungen Arztes bewusst. Schon während dessen Studium in Tübingen hatte er ihn anlässlich einer Ermittlung auf der Neckarinsel getroffen, war später nach einem Unfall von Dr. Schäffler behandelt worden. Diesem Anblick indes waren sie beide noch nie ausgesetzt gewesen.
    Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren, fand erst nach mehreren Sekunden die notwendigen Worte. »Sie wurde …«
    Dem Gerichtsmediziner ging es offensichtlich nicht besser. »… erschossen«, sagte er nach einer Weile, auf die Brust des Mädchens deutend.
    Braig spürte selbst, wie unwirklich das klang. Verwirrt starrte er auf die Tote, das Gesicht fragend verzogen.
    »Ja, es ist kaum zu glauben, ich weiß«, nahm Dr. Schäffler seine Irritation auf. »Mir ging es anfangs genauso. Aber es ist so, leider. Hier, schau es dir genauer an.« Er zeigte auf den Oberkörper der Toten, holte tief Luft.
    Braig beugte sich über die Schusswunde, sah, dass es sich um ein kleines Kaliber handeln musste. Der Stoff rings um das winzige Loch war von getrocknetem Blut verfärbt, die Ränder deutlich verschorft. Braig spürte das Unwohlsein in seinem Magen, beeilte sich, den Blick von der Wunde abzuwenden. Sein Puls beschleunigte sich, hinter den schweißnassen Schläfen begann es heftig zu pochen. Er fühlte sich mit einem Mal abgespannt und verbraucht. Wie konnte das geschehen, arbeitete es in ihm, wer hat das getan? Welcher Verbrecher ist dafür verantwortlich?
    »Ein einziger Schuss«, mischte sich Dolde ins Gespräch.
    Braig sah den ausgestreckten Arm des Mannes, der auf das tote Mädchen gerichtet war.
    »Ein einziger Schuss?«, vergewisserte er sich.
    Der Gerichtsmediziner nickte mit dem Kopf.
    »Sie war sofort tot?«
    »Alles spricht dafür«, bestätigte Dr. Schäffler. »Ich schätze, es ist genau hier passiert. Der Körper liegt unverändert. Der oder die Täter sind auf und davon.«
    »Hier? An diesem Weg?«
    »Das Blut auf dem Boden weist darauf hin«, antwortete der Arzt, auf das Gras neben der Leiche deutend. »Und die Kugel steckt wohl hier drin.« Er wandte seinen Kopf zur Seite, den Stamm der unmittelbar benachbarten

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