BRAINFUCK
klingeln, als der Türöffner summte. Sie drückte die Tür auf und betrat das Treppenhaus.
»Ach, du bist das.« Patrick stand in der geöffneten Wohnungstür. »Ich habe mich schon gefragt, wann du auftauchen würdest.«
Er deutete eine einladende Geste an und gab den Eingang frei.
»Ja, ich bin das.« Sie trat ein und sah sich um. »Ich dachte mir, dass ich dir aufgefallen bin.«
Er führte sie in die gemütlich eingerichtete Küche, zeigte auf einen Stuhl und setzte sich auf den gegenüberliegenden. Er erschien ihr geradezu riesig in dem kleinen Raum.
»Ich heiße Patrick«, sagte er und sie hörte deutlich den hypnotischen Unterton.
»Mein Name ist Denise.« Sie überlegte, wie viel sie ihm sagen sollte. »Und ich bin wie du.«
Patrick zog eine Augenbraue hoch. »Das vermutete ich schon, deine Augen haben dich verraten.«
Ihre Blicke trafen sich. Der eine Moment reichte ihr, sie streckte ihre Fühler nach seinem Energiezentrum aus und fing an, ihn auszusaugen. Wie durch einen unsichtbaren Schlauch rann langsam das Leben aus ihm heraus, ohne dass er es bemerkte.
»Und was willst du von mir?«
»Ich will dich kennenlernen. Herausfinden, inwieweit wir uns gleichen.«
Sie musste sich anstrengen, ihre Erregung nicht zu zeigen. Was da unaufhaltsam in sie hineinfloss, war unvergleichlich – eine Kraft, so mächtig wie die von Patrick, hatte sie noch nie erlebt.
»Wie bist du geworden, was du bist? Wie hast du es entdeckt?«
»Alles begann, als …«
Bereitwillig erzählte er ihr alles. Von der Krankheit seiner Mutter, dem angefahrenen Hasen, den Mäusen, bis hin zu dem Punkt, an dem er feststellen musste, dass nur menschliche Energie ausreichend war. Während er sprach, stillte Denise weiter ihren Hunger.
»Du bist ganz schön dumm, weißt du das?«, fragte sie, als er geendet hatte.
Sein Kopf sank vornüber. Er stützte sich mit beiden Händen am Tisch ab und starrte sie mit einer Mischung aus Unglauben und Entsetzen an.
»Was tust du?«, krächzte er.
Sie überging seine Frage.
»Du könntest grenzenlose Macht besitzen, Unsterblichkeit erlangen. Und was tust du stattdessen? Du verschleuderst alles an eine Todgeweihte, eine Sterbliche!«, spuckte sie ihm entgegen.
»Du darfst mich nicht töten!« Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. »Was wird aus meiner Mutter, wenn ich nicht mehr da bin, um ihr zu helfen?«
Seine Arme wurden kraftlos, er sank mit dem Oberkörper auf die Tischplatte. Patrick versuchte den Kopf zu heben und sie anzusehen, es gelang ihm nicht mehr. Gleich würde es vorbei sein.
»Keine Sorge.« Denise erhob sich und sah auf ihn hinunter. »Sie wird nicht leiden.«
Komplikation
„Nicht ein Atom des Körpers wird vergehen und nicht ein Hauch von Seele. Sobald der Nordwind den Saum des Geistes zusammenrafft, wird sich der Ostwind erheben und ihn entfalten.“
(Khalil Gibran)
Dr. Denkscherz warf einen Blick durch die schwer vergitterten Fenster. Draußen schien die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Hätte ihr während des Medizinstudiums jemand gesagt, dass sie ihre Kenntnisse später in einem Gefängniskrankenhaus anwenden würde – sie wäre in schallendes Lachen ausgebrochen.
Der Mann, der vor ihr lag, würde in den nächsten Minuten seinen letzten Atemzug tun. Sie verurteilte sich selbst für den Gedanken, aber insgeheim fand sie, dass er verdient hatte, zu sterben. Vierzehn junge Frauen hatte Dietmar Brächtken bestialisch ermordet, sich an den toten Körpern vergangen und sie anschließend zerstückelt. Seine letzten Opfer waren Zwillinge gewesen, siebzehn Jahre alt und als kommende Stars der Modelszene gefeiert worden.
Noch im Gerichtssaal stieß er unflätige Beleidigungen aus und beschimpfte seine Opfer als dreckige Schlampen, die es nicht anders verdient hatten . Für das Leid und die Trauer der Angehörigen hatte er nur Häme und Spott übrig. Am zweiten Verhandlungstag hatte ihn der Richter bis zur Urteilsverkündung von der Verhandlung ausgeschlossen.
»Sandra …« Ein kaum zu vernehmendes Flüstern.
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich es nicht mag, wenn Sie mich beim Vornamen nennen!«
Dr. Denkscherz zügelte ihre Wut und mahnte sich zur Professionalität. Sie beschloss, es als letzten Wunsch eines Sterbenden zu sehen, sie zu duzen. Außerdem führte es zu nichts, es ihm zu verbieten – er würde es trotzdem tun.
Dietmar Brächtken winkte sie mit dem Zeigefinger zu sich heran. Unwillig beugte sie sich zu ihm hinunter. Wollte
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